Geld stinkt nicht
Der Tatort:
ACI 2000, die Reichen-Meile Bamakos, in der ein Palast sich an den anderen reiht, einer schöner und in phantasievollerer Architektur gebaut als der andere, wo internationale Hotels stehen, Mercedes eine seiner verglasten Stahlbetonvertretungen hat wie auch Peugeot oder Air France, und wo alle Strassen asphaltiert sind und nachts beleuchtet (beides ansonsten in Bamako eher die Ausnahme). Der »espace cuturel« Bouna, ein Restaurant mit Bar und Podium für Musik- und Theaterveranstaltungen, geschmackvoll eingerichtet, natürlich mit lokalen Naturbausteinen. Zelte sind in U-Form gegen die Sonne aufgebaut, bequeme Bestuhlung und moderne Verstärkeranlagen mit Funkmikrophonen am Rednerpult und einem Tisch für eine Podiumsdiskussion.
Der Tatvorgang:
An einem Tisch unter einem Bastdach auf dem Terrain des »espace culturel« steht eine kleine, schwarzhaarige Frau, ihre Handtasche fest umklammernd, und erwehrt sich des Andrangs eines Menschenpulks, der sie bestürmt.
Es handelt sich hauptsächlich um Frauen, elegant gekleidet, mit wertvollen Colliers und Seidenschals geschmückt, aber auch um einige Männer, nicht weniger geschmackvoll und edel gekleidet. Die Menschen tragen ihren Namen und ihre Adresse in ein Formular ein, und erhalten daraufhin von der ziemlich gestresst wirkenden Frau einen grünen Geldschein, 5000 FCFA, etwa 8 Euro, was etwa zwei Drittel des Monatsgehalts einer normalen Hausangestellten entspricht. Das mehrheitlich noble Publikum, das sich um diese Geldscheine buchstäblich reisst, ist mit Mercedessen, anderen Luxuskarossen oder Taxen angereist. Es handelt sich um Mitglieder der privilegierten Oberklasse dieses angeblich ärmsten Landes der Welt, in dem es aber in Wirklichkeit unvorstellbaren Reichtum einer gar nicht mal so kleinen Ober- und Mittelschicht gibt und ebenso unvorstellbare Armut eines Grossteils der Bevölkerung, der von eben jener vermögenden Schicht gehegt und gepflegt wird, um sich an ihm weiter bereichern zu können.
Die Tat:
Die jährliche »Sensibilisierung« der lokalen Mitarbeiter der deutschen Hilfsorganisationen in Mali – GTZ, DED, Kreditanstalt für Wiederaufbau, deutsche Botschaft – für »problematische Themen«, heute: »Mütter und Töchterbeziehungen«. Von einer bekannten – allerdings der Landessprache nicht mächtigen – Fernsehmoderatorin geleitet, diskutieren Expertinnen und Experten zu dem Thema und unterhält eine Theatergruppe mit erhobenem Zeigefinger das geneigte Publikum. Anschliessend gibt es eine Kleinigkeit zu essen und als Belohnung, sich sensibilisieren zu lassen, 5000 FCFA.
»Sonst würde ja keiner kommen« – so die Auskunft der verantwortlichen Organisatorin dieser Veranstaltung, die 2 Millionen FCFA, etwa 3000 Euro gekostet hat, 250 000, etwa 400 Euro, dafür, dass die Betroffenen überhaupt erscheinen.
Christof Wackernagel
Bamako, den 15-12-2010