Archiv für den Monat: Januar 2011

Geld stinkt nicht

Geld stinkt nicht

Der Tatort:

ACI 2000, die Reichen-Meile Bamakos, in der ein Palast sich an den anderen reiht, einer schöner und in phantasievollerer Architektur gebaut als der andere, wo internationale Hotels stehen, Mercedes eine seiner verglasten Stahlbetonvertretungen hat wie auch Peugeot oder Air France, und wo alle Strassen asphaltiert sind und nachts beleuchtet (beides ansonsten in Bamako eher die Ausnahme). Der »espace cuturel« Bouna, ein Restaurant mit Bar und Podium für Musik- und Theaterveranstaltungen, geschmackvoll eingerichtet, natürlich mit lokalen Naturbausteinen. Zelte sind in U-Form gegen die Sonne aufgebaut, bequeme Bestuhlung und moderne Verstärkeranlagen mit Funkmikrophonen am Rednerpult und einem Tisch für eine Podiumsdiskussion.

Der Tatvorgang:

An einem Tisch unter einem Bastdach auf dem Terrain des »espace culturel« steht eine kleine, schwarzhaarige Frau, ihre Handtasche fest umklammernd, und erwehrt sich des Andrangs eines Menschenpulks, der sie bestürmt.

Es handelt sich hauptsächlich um Frauen, elegant gekleidet, mit wertvollen Colliers und Seidenschals geschmückt, aber auch um einige Männer, nicht weniger geschmackvoll und edel gekleidet. Die Menschen tragen ihren Namen und ihre Adresse in ein Formular ein, und erhalten daraufhin von der ziemlich gestresst wirkenden Frau einen grünen Geldschein, 5000 FCFA, etwa 8 Euro, was etwa zwei Drittel des Monatsgehalts einer normalen Hausangestellten entspricht. Das mehrheitlich noble Publikum, das sich um diese Geldscheine buchstäblich reisst, ist mit Mercedessen, anderen Luxuskarossen oder Taxen angereist. Es handelt sich um Mitglieder der privilegierten Oberklasse dieses angeblich ärmsten Landes der Welt, in dem es aber in Wirklichkeit unvorstellbaren Reichtum einer gar nicht mal so kleinen Ober- und Mittelschicht gibt und ebenso unvorstellbare Armut eines Grossteils der Bevölkerung, der von eben jener vermögenden Schicht gehegt und gepflegt wird, um sich an ihm weiter bereichern zu können.

Die Tat:

Die jährliche »Sensibilisierung« der lokalen Mitarbeiter der deutschen  Hilfsorganisationen in Mali – GTZ, DED, Kreditanstalt für Wiederaufbau, deutsche Botschaft – für »problematische Themen«, heute: »Mütter und Töchterbeziehungen«. Von einer bekannten – allerdings der Landessprache nicht mächtigen – Fernsehmoderatorin geleitet, diskutieren Expertinnen und Experten zu dem Thema und unterhält eine Theatergruppe mit erhobenem Zeigefinger das geneigte Publikum. Anschliessend gibt es eine Kleinigkeit zu essen und als Belohnung, sich sensibilisieren zu lassen, 5000 FCFA.

»Sonst würde ja keiner kommen« – so die Auskunft der verantwortlichen Organisatorin dieser Veranstaltung, die 2 Millionen FCFA, etwa 3000 Euro gekostet hat, 250 000, etwa 400 Euro, dafür, dass die Betroffenen überhaupt erscheinen.

Christof Wackernagel

Bamako, den 15-12-2010

Wenn Fakten sprechen

Wenn Fakten sprechen

Im Begleitbrief zum Mali-Rundbrief bemerkt Klaus Piehl, dass Fakten für sich sprächen. Das Faktum, dass APA die korrupte gesellschaftliche Struktur in Mali unterstützt, versuchte er von seinem Rechtsanwalt mit der Erwähnung des Faktums widerlegen zu lassen, dass APA Mali mit den malischen Gesundheitsbehörden und »der deutschen Entwicklungshilfe« zusammenarbeitet.

Dazu folgende Fakten.

Nach der Häufung von »Unregelmässigkeiten« wie dem »Verschwinden« von umgerechnet 300 000 Euro, dem Scheitern des jahrelang angelegten Impfprogramms der WHO, nachdem es in die Hände der malischen Gsundheitsbehörden kam oder dem »Verschwinden« des westafrikanischen Honorarfonds für Medizinprofessoren, der in allen anderen westafrikanischen Ländern ausser in Mali ausgezahlt wurde, um nur einige alltägliche Beispiele zu nennen,  musste der Gesundheitsminister nun zurücktreten. Ins Gefängnis wird er wohl nicht kommen. Von seinem mit unvorstellbarem Luxus ausgestatteten Palast – sicher nur vorübergehend – in eine Gefängniszelle umziehen muss womöglich der Leiter der staatlichen Gesundheitsbehörden, Souleyman Golo, ein freundlicher, zurückhaltender Mensch, der als »einfach« beschrieben wird, weil er vier Millionen Dollar – nicht etwas FCFA, nein: Dollar – in seine Tasche hatte wandern lassen. Das WHO Geld, bzw. die von der WHO gespendeten Medikamente waren für Aids- und Tuberkulosekranke bestimmt, teilweise explizit für Gefangene. Alles weg. Zum ersten mal in der Geschichte der Hilfsorganisationen hat die WHO nun eine kanadische Kontrollkommission beauftragt, Rechnung für Rechnung zu prüfen. Der Leiter dieser Kommission verzweifelte derart bei seiner Arbeit, dass ihm in einem Interview der Satz entwich: »Ganz Mali ist korrupt«, was natürlich einen Sturm der Entrüstung hervorrief, denn es gibt sehr wohl auch hier Organisationen und Einzelpersonen, die sich nicht an dieser mafiosen Struktur beteiligen, wie etwa die »medicins d’espoir« oder die engagierten jungen Ärzte der »action sante«. Aber wenn der Leiter der staatlichen Gesundheitsbehörde Gefangenen Aidsmedikamente stiehlt, wieso soll dann nicht ein Seydou Seguole den Menschen in Wuelenguena für sie bestimmte Medikamente stehlen, zumal er ja zwar die besten, aber nur einige aus dem für sie bestimmten Karton nimmt! Es machen doch fast alle so! Ist doch nur ein Klacks gegenüber zum Beispiel vier Millionen Dollar. Man kann diesen Leuten keinen persönlichen Vorwurf machen, denn es gehört schon ein besonders starker Charakter dazu, diesen gesellschaftlichen Strukturen nicht zu erliegen.

Ein Vorwurf ist nur deutschen Ärzten zu machen, die weiterhin diese Struktur unterstützen, anstatt mit Organisationen zusammen zu arbeiten, deren Integrität von internationalen Institutionen erwiesen ist.

Zum Thema »deutsche Entwicklunghilfe« anliegend eine Randbemerkung, die einmal mehr die deprimierende Begriffslosigkeit allein der Haltung dieser Menschen zeigt, die irgendwelche Buschwilden sensibilisieren wollen, anstatt vielleicht selbst einmal einen Funken Sensibilität für die hiesigen Verhältnisse zu entwickeln.

Christof Wackernagel  am 23-12-2010

PS – ich bitte Herrn Dr. Pille  und Herrn Dr. Quackbart einen Gruss von Christian Klarnagel auszurichten. Dass Klaus Piehl nicht einmal meinen Vornamen richtig zu schreiben weiss, ist Ausdruck genau des gnadenlosen Desinteresses an den Fakten, mit dem seine behauptete Hilfe für die Armen zu Hilfe für die Reichen wird. Er war es, der mich dazu verleitete, ihn bei seinem Ansinnen zu unterstützen, medizinisches Material nach Mali zu schicken, obwohl ich als Nicht-Mediziner von den medizinischen Verhältnissen hier keine Ahnung hatte, was dazu führte, dass es in die falschen Hände kommt. Nun weigert er sich, es in die richtigen Hände kommen zu lassen, nachdem ich mich kundig gemacht habe – und kennt mich nicht mehr.