Zu dem Querfurt Papier: „Den Ärmsten der Armen“.
Ich habe „APA als exemplarischen Fall“ ins Netz gesetzt, die „Erklärung zum Mali Tag“ geschrieben, die Ergänzung „Briefauszug“, die Antwort auf RA Eisel, den Kommentar zu Querfurts Brief an Uwe Folkerts und eine Liste von unbeantwortete Fragen.
Dr. Querfurt geht auf keinen der entscheidenden Punkte ein, behauptet in den wenigen, in denen er das tut, einfach das Gegenteil, setzt dabei Unwahrheiten in die Welt und erklärt seine Wünsche als Wirklichkeit –
ich komme mir langsam vor wie das Kind in „des Königs neue Kleider“:
- Schon vor einem Jahr habe ich eine 16 minütige Videodokumentation über action sante in Deutschland verbreitet, in der zu sehen ist wie cubanische Ärzte in einer neu errichteten Gesundheitsstation der medicins d’espoir Menschen behandeln:
Jetzt behauptet Dr. Querfurt, die dürften das von Cuba aus nicht?
Diese Aussage galt für ein Projekt in Lateinamerika – also in den Köpfen der US-Amerikaner vor Ihrer Haustür…
- Laut Fidel in seiner Biografie sind Auslandseinsätze freiwillig und selbstbestimmt – ist das Querfurt nicht bekannt? Wieso wendet er sich nach Cuba, anstatt die Leute hier zu fragen oder von seinen Beauftragten fragen zu lassen – Kontakt wurde bereits beim ersten Besuch hergestellt?
- Die von mir vorgeschlagenen Partnerorganisationen behandeln seit Jahren kostenlos Menschen, die sich das Gesundheitssystem nicht leisten können:
Was geht im Hirn eines Menschen vor, der von den hiesigen Verhältnissen null Ahnung hat, trotz vorliegenden Gegenbeweises diese Tatsache einfach abzuleugnen und dann auch noch sich darüber zu verbreiten, dass das seiner Meinung nach gar nicht möglich sei?
Der Kritikpunkt von Q. ist, dass eine kostenlose Versorgung nicht nachhaltig sei – dass eine derzeitige Finanzierung durch „den Patienten“ noch gar nicht möglich ist ignoriert er dabei. Zwar benötigt man ein eigenes Einkommen, jedoch hilft ein Einkommen in Zukunft nicht für die Behandlung einer Erkrankung im Jetzt (ausser man ist vielleicht ein Kreditinstitut…).
- Wie sollen zwei Leute in ihrer Freizeit eigentlich jemals mehr als nur einen Bruchteil des von Dr. Querfurt so grosszügig vor sich hin phantasierten Programms realisieren? Werden deshalb Selbstverständlichkeiten und Nebensächlichkeiten wie die Verteilung von ein paar alten Brillen oder Schulheften, über die ein normaler Mensch kein Wort verliert, zu weltbewegenden Hilfsaktionen aufgeblasen, für die man Nelson Mandela zitiert? Erkennt von den 160 Mitgliedern der HCH tatsächlich niemand diese Peinlichkeit?
- Der aktuelle Konflikt begann damit, dass die Mitglieder der action sante sich in einem Brief darüber beschwerten, dass sie von APA missbraucht wurden und mich baten, diesen Brief zu überbringen, wogegen ich mich zunächst sträubte (! ich ahnte da was …), es aber dann tat. Nun behauptet Querfurt, sie hätten ihre Vorwürfe zurückgezogen und versprochen, das schriftlich zu bestätigen:
Wie kann man so etwas behaupten, wenn man genau weiss, dass das Gegenteil der Fall ist? Und bei der von ihm erwähnten Unterredung auch noch ein Zeuge dabei war (den die action sante Leute wohlweislich baten mitzukommen), nämlich mein Schwager, der Regisseur Valentin Jeker, der empört von dem Treffen zurückkam („Sowas Unwürdiges hab ich noch nie erlebt“) und Querfurt als Ludwig XIV. beschrieb, der schwitzend und sich sichtbar unwohl fühlend den Report seiner „Vasallen“ abnahm (ist halt ein Theatermensch, der sich in solchen Worten ausdrückt – das sagt aber trotzdem was)?
Die demnächst folgende schriftliche Stellungnahme von action sante beendet hier eine Tortenschlacht, bei jeder „nur“ seine Torte schmeisst, auf der in schöner geschwungenen Schrift steht „Das ist nicht wahr“, indem dann deutlich wird, dass Herr Querfurt gewisse Tatsachen sich zurechtzubiegen versucht. Man muss in diesem Zusammenhang auch noch den zitierten Begriff „Vasall“ und die dazugehörige Einschätzung zum Treffen mit Querfurts eigenen – meiner Meinung nach – vielsagenden Worten sehen:
„Den von Ihnen ausgelösten Konflikt müssten sie aber erst bereinigen, bevor wir über weitere Kooperation reden können. Ich bin da allerdings skeptisch, wenn alles so läuft wie mit dem Entschuldigungsbrief, ob dann eine Kooperation überhaupt zustande kommen kann.“
Eine solch „gnadenvolle“ Sichtweise auf die anstehenden „Entschuldigung“ lässt tatsächlich die Gesinnung „L’État, c’est moi!“(„Der Staat bin ich!“) durchscheinen.
- Wieder werden die mit Mitgliedsbeiträgen arbeitenden Medicins d’espoir als von ausländischer Hilfe abhängig dargestellt und deswegen als nicht partnerfähig eingeschätzt: und APA Mali mit seinen zwei Mitgliedern? Merkt Querfurt nicht, dass er von seiner eigenen Truppe spricht? Womit arbeiten die denn, wovon sind die abhängig? Aus was für einem Interesse heraus zieht er einer der wenigen sauberen Organisationen in den Dreck?
Dieser Text ist eine intellektuelle Zumutung, um nicht zu sagen eine intellektuelle Wixvorlage:
europäischer Rentner benützt Afrika als Spielwiese, um seine Macherphantasien auszuleben und beruft sich dabei auf Nelson Mandela – geht’s noch? Wo ist Zewa wisch und weg?
Ich habe am Beispiel der Bananenverkäuferin Fatumata Gindo, die mindestens für zig-, wenn nicht Hunderttausende anderer steht, ausführlich die Lebensbedingungen und psychischen Voraussetzungen der Ärmsten der Armen und ihre Beziehung zum herrschenden Gesundheitssystem dargestellt –
jetzt entblödet sich Querfurt nicht, mit pro Kopf Einkommenszahlen daherzukommen:
wieso haut ihm denn keiner auf den seinen und erklärt ihm, dass das unter jedem Niveau ist?
Ich bat Dr. Seydou und Haby Dembele uns Partnerorganisationen zu nennen; sie erklärten es gäbe keine, sie könnten es aber selbst machen, was ich zunächst glaubte, weil ich es nicht besser wusste – wieso muss ich jetzt dauernd beweisen, dass sie die Unwahrheit gesagt haben aus dem offensichtlichen und nachvollziehbaren Grund, weil sie sich sie Sache unter den Nagel reissen wollten, wenn die gegenteiligen Tatsachen alle auf dem Tisch liegen? Liest keiner, was ich geschrieben habe? Stellt etwa jemand die Tatsächlichkeit des Geschriebenen in Frage?
Ich weise immer wieder darauf hin, dass das gesamte APA Mali aus zwei – ich wiederhole: ZWEI – Personen besteht,
- die nicht kontrolliert sind und nicht kontrolliert werden können,
- die noch nie vorher eine derartige Arbeit gemacht haben,
- die nicht nur verhindert haben, dass bestehende, funktionierende und demokratisch kontrollierte indigene Organisationen die Container verteilen, sondern die auch jede weitere Mitarbeit anderer Malier verhindern:
warum wohl?
Merkt da wirklich keiner was?
Ich habe immer kritisiert, dass die Menschen hier durch diese Aktivitäten gedemütigt, entwürdigt und entrechtet werden. Jetzt müssen wir wieder von irgendwelchen Projektphantasterein lesen, die von Leuten, die überhaupt keine Ahnung haben, was hier gebraucht wird und nur ihre eigenen Lebensvorstellungen auf andere übertragen, anderen Menschen aufgedrängt werden sollen, die nie danach gefragt haben, die aber einen „Eigenanteil“ leisten sollen, weil sie es sonst nicht wert sind, von dieser Wohltat bedacht zu werden, als hätten sie nichts anderes zu tun und warteten nur darauf, dass endlich irgendwelche Weissen kommen, die ihnen sagen, wie sie ihr Leben gestalten sollen:
Was ist dies anderes als Demütigung durch für dumm verkaufen, Entwürdigung durch sich selbst als überlegen verkaufen und Entrechtung durch Raub der Selbstbestimmung?
Herr Querfurt wollte – ich gehe mal davon aus: im guten Willen – eine nachhaltige Änderung, missachtet hier jedoch sowohl Umstände, als auch Sachverstand und Kenntnis. Die größte Kritik an Q.. ist sicherlich, dass er trotz aktiver Kenntnis (durch Christof), an Kontaktpersonen festhält, bei denen keine Kontrolle vorliegt und gleichzeitig berechtigte Kritik an der Rechtschaffenheit und Korrektheit Ihrer Aktionen vorliegt. Wenn er von falscher Barmherzigkeit spricht, so muss er auch erkennen, dass eine Hilfestellung seinerseits, die nur ein paar Privilegierten zugute kommt, auch die von ihm angestrebte Nachhaltigkeit nicht erreichen kann. Nachhaltigkeit oder die vielbesagte „Hilfe zur Selbsthilfe“ – sofern man dies als Ziel zur Beseitigung einer akuten Erkrankung bzw. akuten Notwendigkeit einer Versorgung HIER&JETZT sieht – muss unter Kontrolle/Einflußnahme derjenigen stehen, die davon langfristig profitieren sollen. Denn diese wissen selbst, was sie in Zukunft brauchen und welche Erfordernisse jetzt vorliegen.
Jetzt sülzt Querfurt auch noch, Frau Dembele und Dr. Seydou seien selbst erstaunt gewesen, wie gross die Armut in ihrem Lande sei:
DAVON REDE ICH DOCH DIE GANZE ZEIT! SIE HABEN KEINE AHNUNG!
Deswegen sage ich doch dauernd, man soll mit denen zusammenarbeiten, die da nicht staunen, sondern seit Jahren etwas dagegen tun.
Da kommen irgendwelche dahergelaufenen Ärzte, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben, mischen sich ungefragt ein, bringen mit ihrem Geld und ihrem Material alles durcheinander und erzeugen nichts als einen Scherbenhaufen, den die Leute, die hier leben und arbeiten und vielleicht auch ein bisschen was ändern wollen, zusätzlich auch noch wegräumen müssen.
Action sante schreibt halt wieder einen neuen Brief – als ob nicht alles tausend mal schon gesagt worden wäre und wir nichts anderes zu tun hätten.
Wenn ich lese, wie bedeutend die etwa 400 Euro schwere Bücher-und Schulheftspende von Welenguena war, die Querfurt von einer Stiftung aufgetrieben hat – wie peinlich, über soetwas überhaupt zu reden! -, während er selbst tausende von Euro ausgab, um mit seiner Frau zur Übergabe der Hefte ein zu fliegen und dabei Videos zu drehen und Fotos zu schiessen, fällt mir nur noch eines ein:
Neokolonialistische Selbstbefriedigung.
Ich habe auf der Webseite ausführlich über das Problem der Fotos und der Filmerei reflektiert (Querfurt dazu nur, das sei das a und o jeder ONG : als ob sich damit nicht die ONG selbst richten würde, aber nicht meine Kritik widerlegt), ich habe ausführlich berichtet, wie die Bewohner von Welenguena von den APA Beauftragten gedemütigt und erniedrigt wurden (was weitergeht: kürzlich tauchte Dr.Seydou auf und forderte, dass die Welenguaner kostenlos seine seit langem geplante Klinik aufbauen sollten, drohte mit Konsequenzen bei Weigerung, gab sonst keine weiteren Informationen: so übel würde kein Weisser wagen, mit einem Schwarzen umzugehen), nun lesen wir Dr. Querfurts Entwicklungsphantasien von Afrika als dem unbeschriebenen weissen Blatt, das nur darauf wartet, dass er endlich kommt und seinen Bleistift spitzt, wobei er am Schluss noch Schmutz auf die wirft, die selbst besser wissen, wie ihr eigenes Land zu entwickeln ist (oder, wie Dr. Oumar Marico, 1991 wesentlich am Sturz des Diktators beteiligt waren), um ja das Bild des unfähigen, von Querfurt und anderen abhängigen Afrika nicht verschwimmen zu lassen: das ist modernes Herrenmenschentum mit intellektuellen Springerstiefeln, Handy und Video.
Faktisch konkret sollte die Diskussion meines Erachtens auf den Punkt fokussiert werden, dass die Container in die Hände derjenigen kommen müssen, die dafür garantieren, dass sie die tatsächlich Bedürftigen erreichen.
Action sante und die medicins d’espoir machen ihre Arbeit seit Jahren selbst initiiert, selbst bestimmt und selbst finanziert – jede Unterstützung von aussen erweitert nur ihre Aktionsmöglichkeiten.
An diesem konkreten Beispiel liesse sich dann allgemein die Frage diskutieren, ob nicht jegliche von aussen kommende „Hilfe“ eingestellt werden sollte, weil sie keine ist bzw. der Gegenseite hilft, Einmischung ist, stört, „blockiert“ (Thomas Sankara) und wer trotzdem hier mitmischen will, sich indigenen, vorhandenen Gruppen anschliessen soll.
Am Fall APA Mali kann exemplarisch studiert werden, wie eine von Deutschland ferngesteuerte Briefkastenfirma mit – ich wiederhole einmal mehr – zwei Briefträgern nach aussen hin diese Rolle spielt, um Material und Geld nicht an die kommen zu lassen, die es den wirklich Bedürftigen zukommen liesse.
Dabei sind Frau Dembele und Dr. Seydou kein Einzelfall – deswegen immer die Betonung des Exempels -: es gibt eine ganze Schicht von studierten Abgreifern, die sich die Weissen schnappt, die hier tatendurstig und mit dicken Geldtaschen ankommen und „was machen“ wollen, und die wörtlich auf die Frage, was sie denn machen könnten, antworten: das, was Ihr von uns wollt.
Es geht nicht um schwarz oder weiss, sondern um arm oder reich, es geht nicht um guten Willen, sondern um demokratisch kontrolliertes Handeln, es geht nicht um Bekenntnis, sondern um Haltung.
Christof Wackernagel, Bamako, den 26-1-2010
rote Anmerkungen: Thorsten buchmakowsky, Dortmund, den 28-1-2010