Archiv für den Monat: Januar 2010

Wie die Weissen den Krieg unter den Schwarzen anzetteln

Wie die Weissen den Krieg unter den Schwarzen anzetteln

Bericht von Madou Coulibaly nach seinem Besuch in Quelenguena vom 23. bis 27.1.2010:

Madou sprach lange mit dem Bürgermeister (Dougoutigi), seinem Vater, seinem Onkel, der der Feticheur des Dorfes ist und einigen Freuden über die Hintergründe der Auseinandersetzungen beim Toilettenbau, dem Auslöser des Konflikts mit APA, dem ersten Beispiel für meinen Vorwurf der Verletzung und Missachtung der Menschenwürde und des Respekts gegenüber der Bevölkerung von Quelenguena sowohl durch Dr. Herbert Querfurt als auch durch seine Mitarbeiter Dr. Seydou Segoule und Haby Dembele.

Und dem ersten drastischen Beispiel für die durch die Einmischung der Weissen, ihr Geld und ihre ungefragten Vorschläge ausgelösten Konflikte unter den Afrikanern selbst.

Madous bester Freund seit Schulzeiten, Mohammed hatte den Bau der Schule initiiert, das Geld dafür gesammelt, den Bau zusammen mit Madous Bruder, dem Ingenieur Kassim realisiert, eine Schnellausbildung als Lehrer gemacht und die Schule seitdem geleitet. Er ist im ganzen Dorf ein geachteter Mann und gilt als 100% integer.

Als nach den bekannten Querelen endlich mit dem Bau begonnen werden konnte, bekam er von Dr. Seydou 300 Euro, 200 000 Fcfa als Anzahlung.

Als das Geld verbraucht war, nur noch das Blechdach fehlte, bat er um die restlichen 200 Euro, 130 000 Fcfa.

Segoule/Dembele sagten, das Geld müsse vorgestreckt werden, was Mohammed ablehnte.

Daraufhin kamen Dr. Seydou Segoule und Haby Dembele nach Quelenguena und klagten Mohammed öffentlich an, die 300 Euro nicht korrekt ausgegeben zu haben, weswegen die restlichen 200 Euro an einen mit Dr. Seydou befreundeten Bauunternehmer in Kutialla gingen, der dafür das Blechdach installierte.

Obwohl kein Mensch im Dorf Mohammed eine Unterschlagung auch nur des geringsten Betrages zutraut oder gar vorwirft, was Madou auf mehrfache Nachfrage bestätigte, ist Mohammed von diesem Vorwurf und vor allem Vorgang, also den Bedingungen seiner Äusserung, so tief getroffen, das er ihn „bis zum Ende seines Lebens nicht vergessen“ werde. Der Kontakt zu Madou brach ab. Als Madou jetzt fragte, was los sei, warum er ihn nicht treffe, wurde er davon unterrichtet, dass Mohammed vor einiger Zeit ohne sich zu verabschieden zu seinem Vater nach Abijan gereist sei, man nicht wisse, wann er wiederkomme, und ein anderer Schulleiter installiert worden sei.

Die Ethnologin Noemi Steuer, die seit zwölf Jahren nach Mali reist und derzeit an einer Dissertation über „Namen und Ehre in der malischen Gesellschaft“ arbeitet, erklärte mir dazu im Allgemeinen:

„Wenn jemand den „Namen“, die Ehre eines anderen angreifen will, kann er das auf zwei Weisen tun:

  1. er streut hinter dem Rücken des Betroffenen ein Gerücht aus, sagt es ihm aber nicht ins Gesicht und gibt es nicht zu. Das unterhöhlt das Ansehen, die Ehre des Betroffenen, wahrt aber den Respekt gegenüber demjenigen.
    Oder
  2. er klagt ihn öffentlich an. Das zerstört nicht nur seine Ehre, sondern verweigert auch den Respekt, einen der höchsten Werte in der malischen Gesellschaft“ (ein Zusammenhang, den ich auch von Malinowski aus seinen Studien über die tobriandische Gesellschaft kenne).

Noemi Steuer, die die beteiligten Personen kennt, erklärt zu dem konkreten Vorfall:
Niemand weiss das besser als Haby und Seydou. Solch einen Vorwurf öffentlich zu inszenieren, zerstört Namen und Ehre, unabhängig davon, ob er gerechtfertigt ist oder nicht: der Respekt vor dieser Person ist öffentlich zerstört, „gaté“, verdorben.

Und sie schliesst wörtlich: „Das ist ein Kriegsakt“

Hervorhebung durch mich, da sich jeder weitere Kommentar erübrigt.

Christof Wackernagel, Bamako, den 28.1.2010

Zu dem Querfurt Papier: „Den Ärmsten der Armen“.

Zu dem Querfurt Papier: „Den Ärmsten der Armen“.

Ich habe „APA als exemplarischen Fall“ ins Netz gesetzt, die „Erklärung zum Mali Tag“ geschrieben, die Ergänzung „Briefauszug“, die Antwort auf RA Eisel, den Kommentar zu Querfurts Brief an Uwe Folkerts und eine Liste von unbeantwortete Fragen.
Dr. Querfurt geht auf keinen der entscheidenden Punkte ein, behauptet in den wenigen, in denen er das tut, einfach das Gegenteil, setzt dabei Unwahrheiten in die Welt und erklärt seine Wünsche als Wirklichkeit –
ich komme mir langsam vor wie das Kind in „des Königs neue Kleider“:

  • Schon vor einem Jahr habe ich eine 16 minütige Videodokumentation über action sante in Deutschland verbreitet, in der zu sehen ist wie cubanische Ärzte in einer neu errichteten Gesundheitsstation der medicins d’espoir Menschen behandeln:
    Jetzt behauptet Dr. Querfurt, die dürften das von Cuba aus nicht?

Diese Aussage galt für ein Projekt in Lateinamerika – also in den Köpfen der US-Amerikaner vor Ihrer Haustür…

  • Laut Fidel in seiner Biografie sind Auslandseinsätze freiwillig und selbstbestimmt – ist das Querfurt nicht bekannt? Wieso wendet er sich nach Cuba, anstatt die Leute hier zu fragen oder von seinen Beauftragten fragen zu lassen – Kontakt wurde bereits beim ersten Besuch hergestellt?
  • Die von mir vorgeschlagenen Partnerorganisationen behandeln seit Jahren kostenlos Menschen, die sich das Gesundheitssystem nicht leisten können:
    Was geht im Hirn eines Menschen vor, der von den hiesigen Verhältnissen null Ahnung hat, trotz vorliegenden Gegenbeweises diese Tatsache einfach abzuleugnen und dann auch noch sich darüber zu verbreiten, dass das seiner Meinung nach gar nicht möglich sei?

Der Kritikpunkt von Q. ist, dass eine kostenlose Versorgung nicht nachhaltig sei – dass eine derzeitige Finanzierung durch „den Patienten“ noch gar nicht möglich ist ignoriert er dabei. Zwar benötigt man ein eigenes Einkommen, jedoch hilft ein Einkommen in Zukunft nicht für die Behandlung einer Erkrankung im Jetzt (ausser man ist vielleicht ein Kreditinstitut…).

  • Wie sollen zwei Leute in ihrer Freizeit eigentlich jemals mehr als nur einen Bruchteil des von Dr. Querfurt so grosszügig vor sich hin phantasierten Programms realisieren? Werden deshalb Selbstverständlichkeiten und Nebensächlichkeiten wie die Verteilung von ein paar alten Brillen oder Schulheften, über die ein normaler Mensch kein Wort verliert, zu weltbewegenden Hilfsaktionen aufgeblasen, für die man Nelson Mandela zitiert? Erkennt von den 160 Mitgliedern der HCH tatsächlich niemand diese Peinlichkeit?
  • Der aktuelle Konflikt begann damit, dass die Mitglieder der action sante sich in einem Brief darüber beschwerten, dass sie von APA missbraucht wurden und mich baten, diesen Brief zu überbringen, wogegen ich mich zunächst sträubte (! ich ahnte da was …), es aber dann tat. Nun behauptet Querfurt, sie hätten ihre Vorwürfe zurückgezogen und versprochen, das schriftlich zu bestätigen:
    Wie kann man so etwas behaupten, wenn man genau weiss, dass das Gegenteil der Fall ist? Und bei der von ihm erwähnten Unterredung auch  noch ein Zeuge dabei war (den die action sante Leute wohlweislich baten mitzukommen), nämlich mein Schwager, der Regisseur Valentin Jeker, der empört von dem Treffen zurückkam („Sowas Unwürdiges hab ich noch nie erlebt“) und Querfurt als Ludwig XIV. beschrieb, der schwitzend und sich sichtbar unwohl fühlend den Report seiner „Vasallen“ abnahm (ist halt ein Theatermensch, der sich in solchen Worten ausdrückt – das sagt aber trotzdem was)?

Die demnächst folgende schriftliche Stellungnahme von action sante beendet hier eine Tortenschlacht, bei jeder „nur“ seine Torte schmeisst, auf der in schöner geschwungenen Schrift steht „Das ist nicht wahr“, indem dann deutlich wird, dass Herr Querfurt gewisse Tatsachen sich zurechtzubiegen versucht. Man muss in diesem Zusammenhang auch noch den zitierten Begriff „Vasall“ und die dazugehörige Einschätzung zum Treffen mit Querfurts eigenen – meiner Meinung nach – vielsagenden Worten sehen:

„Den von Ihnen ausgelösten Konflikt müssten sie aber erst bereinigen, bevor wir über weitere Kooperation reden können. Ich bin da allerdings skeptisch, wenn alles so läuft wie mit dem Entschuldigungsbrief, ob dann eine Kooperation überhaupt zustande kommen kann.“

Eine solch „gnadenvolle“ Sichtweise auf die anstehenden „Entschuldigung“ lässt tatsächlich die Gesinnung „L’État, c’est moi!“(„Der Staat bin ich!“) durchscheinen.

  • Wieder werden die mit Mitgliedsbeiträgen arbeitenden Medicins d’espoir als von ausländischer Hilfe abhängig dargestellt und deswegen als nicht partnerfähig eingeschätzt: und APA Mali mit seinen zwei Mitgliedern? Merkt Querfurt nicht, dass er von seiner eigenen Truppe spricht? Womit arbeiten die denn, wovon sind die abhängig? Aus was für einem Interesse heraus zieht er einer der wenigen sauberen Organisationen in den Dreck?

Dieser Text ist eine intellektuelle Zumutung, um nicht zu sagen eine intellektuelle Wixvorlage:
europäischer Rentner benützt Afrika als Spielwiese, um seine Macherphantasien auszuleben und beruft sich dabei auf Nelson Mandela – geht’s noch? Wo ist Zewa wisch und weg?

Ich habe am Beispiel der Bananenverkäuferin Fatumata Gindo, die mindestens für zig-, wenn nicht Hunderttausende anderer steht,  ausführlich die Lebensbedingungen und psychischen Voraussetzungen der Ärmsten der Armen und ihre Beziehung zum herrschenden Gesundheitssystem dargestellt –
jetzt entblödet sich Querfurt nicht, mit pro Kopf Einkommenszahlen daherzukommen:
wieso haut ihm denn keiner auf den seinen und erklärt ihm, dass das unter jedem Niveau ist?

Ich bat Dr. Seydou und Haby Dembele uns Partnerorganisationen zu nennen; sie erklärten es gäbe keine, sie könnten es aber selbst machen, was ich zunächst glaubte, weil ich es nicht besser wusste – wieso muss ich jetzt dauernd beweisen, dass sie die Unwahrheit gesagt haben aus dem offensichtlichen und nachvollziehbaren Grund, weil sie sich sie Sache unter den Nagel reissen wollten, wenn die gegenteiligen Tatsachen alle auf dem Tisch liegen? Liest keiner, was ich geschrieben habe? Stellt etwa jemand die Tatsächlichkeit des Geschriebenen in Frage?

Ich weise immer wieder darauf hin, dass das gesamte APA Mali aus zwei – ich wiederhole: ZWEI –  Personen besteht,

  • die nicht kontrolliert sind und nicht kontrolliert werden können,
  • die noch nie vorher eine derartige Arbeit gemacht haben,
  • die nicht nur verhindert haben, dass bestehende, funktionierende und demokratisch kontrollierte indigene Organisationen die Container verteilen, sondern die auch jede weitere Mitarbeit anderer Malier verhindern:

warum wohl?
Merkt da wirklich keiner was?

Ich habe immer kritisiert, dass die Menschen hier durch diese Aktivitäten gedemütigt, entwürdigt und entrechtet werden. Jetzt müssen wir wieder von irgendwelchen Projektphantasterein lesen, die von Leuten, die überhaupt keine Ahnung haben, was hier gebraucht wird und nur ihre eigenen Lebensvorstellungen auf andere übertragen, anderen Menschen aufgedrängt werden sollen, die nie danach gefragt haben, die aber einen „Eigenanteil“ leisten sollen, weil sie es sonst nicht wert sind, von dieser Wohltat bedacht zu werden, als hätten sie nichts anderes zu tun und warteten nur darauf, dass endlich irgendwelche Weissen kommen, die ihnen sagen, wie sie ihr Leben gestalten sollen:
Was ist dies anderes als Demütigung durch für dumm verkaufen, Entwürdigung durch sich selbst als überlegen verkaufen und Entrechtung durch Raub der Selbstbestimmung?

Herr Querfurt wollte – ich gehe mal davon aus: im guten Willen – eine nachhaltige Änderung, missachtet hier jedoch sowohl Umstände, als auch Sachverstand und Kenntnis. Die größte Kritik an Q.. ist sicherlich, dass er trotz aktiver Kenntnis (durch Christof), an Kontaktpersonen festhält, bei denen keine Kontrolle vorliegt und gleichzeitig berechtigte Kritik an der Rechtschaffenheit und Korrektheit Ihrer Aktionen vorliegt. Wenn er von falscher Barmherzigkeit spricht, so muss er auch erkennen, dass eine Hilfestellung seinerseits, die nur ein paar Privilegierten zugute kommt, auch die von ihm angestrebte Nachhaltigkeit nicht erreichen kann. Nachhaltigkeit oder die vielbesagte „Hilfe zur Selbsthilfe“ – sofern man dies als Ziel zur Beseitigung einer akuten Erkrankung bzw. akuten Notwendigkeit einer Versorgung HIER&JETZT sieht – muss unter Kontrolle/Einflußnahme derjenigen stehen, die davon langfristig profitieren sollen. Denn diese wissen selbst, was sie in Zukunft brauchen und welche Erfordernisse jetzt vorliegen.

Jetzt sülzt Querfurt auch noch, Frau Dembele und Dr. Seydou seien selbst erstaunt gewesen, wie gross die Armut in ihrem Lande sei:
DAVON REDE ICH DOCH DIE GANZE ZEIT! SIE HABEN KEINE AHNUNG!

Deswegen sage ich doch dauernd, man soll mit denen zusammenarbeiten, die da nicht staunen, sondern seit Jahren etwas dagegen tun.

Da kommen irgendwelche dahergelaufenen Ärzte, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben, mischen sich ungefragt ein, bringen mit ihrem Geld und ihrem Material alles durcheinander und erzeugen nichts als einen Scherbenhaufen, den die Leute, die hier leben und arbeiten und vielleicht auch ein bisschen was ändern wollen, zusätzlich auch noch wegräumen müssen.
Action sante schreibt halt wieder einen neuen Brief – als ob nicht alles tausend mal schon gesagt worden wäre und wir nichts anderes zu tun hätten.

Wenn ich lese, wie bedeutend die etwa 400 Euro schwere Bücher-und Schulheftspende von Welenguena war, die Querfurt von einer Stiftung aufgetrieben hat – wie peinlich, über soetwas überhaupt zu reden! -, während er selbst  tausende von Euro ausgab, um mit seiner Frau zur Übergabe der Hefte ein zu fliegen und dabei Videos zu drehen und Fotos zu schiessen, fällt mir nur noch eines ein:
Neokolonialistische Selbstbefriedigung.

Ich habe auf der Webseite ausführlich über das Problem der Fotos und der Filmerei reflektiert (Querfurt dazu nur, das sei das a und o jeder ONG : als ob sich damit nicht die ONG selbst richten würde, aber nicht meine Kritik widerlegt), ich habe ausführlich berichtet, wie die Bewohner von Welenguena von den APA Beauftragten gedemütigt und erniedrigt wurden (was weitergeht: kürzlich tauchte Dr.Seydou auf und forderte, dass die Welenguaner kostenlos seine seit langem geplante Klinik aufbauen sollten, drohte mit Konsequenzen bei Weigerung, gab sonst keine weiteren Informationen: so übel würde kein Weisser wagen, mit einem Schwarzen umzugehen), nun lesen wir Dr. Querfurts Entwicklungsphantasien von Afrika als dem unbeschriebenen weissen Blatt, das nur darauf wartet, dass er endlich kommt und seinen Bleistift spitzt, wobei er am Schluss noch  Schmutz auf die wirft, die selbst besser wissen, wie ihr eigenes Land zu entwickeln ist (oder, wie Dr. Oumar Marico, 1991 wesentlich am Sturz des Diktators beteiligt waren), um ja das Bild des unfähigen, von Querfurt und anderen abhängigen Afrika nicht verschwimmen zu lassen: das ist modernes Herrenmenschentum mit intellektuellen Springerstiefeln,  Handy und Video.

Faktisch konkret sollte die Diskussion meines Erachtens auf den Punkt fokussiert werden, dass die Container in die Hände derjenigen kommen müssen, die dafür garantieren, dass sie die tatsächlich Bedürftigen erreichen.
Action sante und die medicins d’espoir machen ihre Arbeit seit Jahren selbst initiiert, selbst bestimmt und selbst finanziert – jede Unterstützung von aussen erweitert nur ihre Aktionsmöglichkeiten.

An diesem konkreten Beispiel liesse sich dann allgemein die Frage diskutieren, ob nicht jegliche von aussen kommende „Hilfe“ eingestellt werden sollte, weil sie keine ist bzw. der Gegenseite hilft, Einmischung ist, stört, „blockiert“ (Thomas Sankara) und wer trotzdem hier mitmischen will, sich indigenen, vorhandenen Gruppen anschliessen soll.

Am Fall APA Mali kann exemplarisch studiert werden, wie eine von Deutschland ferngesteuerte Briefkastenfirma mit – ich wiederhole einmal mehr – zwei Briefträgern nach aussen hin diese Rolle spielt, um Material und Geld nicht an die kommen zu lassen, die es den wirklich Bedürftigen zukommen liesse.

Dabei sind Frau Dembele und Dr. Seydou kein Einzelfall – deswegen immer die Betonung des Exempels -: es gibt eine ganze Schicht von studierten Abgreifern, die sich die Weissen schnappt, die hier tatendurstig und mit dicken Geldtaschen ankommen und „was machen“ wollen, und die wörtlich auf die Frage, was sie denn machen könnten, antworten: das, was Ihr von uns wollt.

Es geht nicht um schwarz oder weiss, sondern um arm oder reich, es geht nicht um guten Willen, sondern um demokratisch kontrolliertes Handeln, es geht nicht um Bekenntnis, sondern um  Haltung.

Christof Wackernagel, Bamako, den 26-1-2010
rote Anmerkungen: Thorsten buchmakowsky, Dortmund, den 28-1-2010

Samstag in Bamako

Samstag in Bamako

Vor dem Laden, in dem ich Essig gekauft habe, stehen ein Junge und eine Frau mit Sammelbüchsen. Ich habe mir schon lange abgewöhnt, sie als „Bettler“ zu sehen – es gibt hier keine Sozialversicherung – sie sind Anspruchsberechtigte, die sich ihren Anteil von Mensch zu Mensch holen.Der Junge ist wahrscheinlich Waise, der bei einem Marabut lebt und einen Anteil ranschaffen muss – ich mag das zwar nicht, gebe aber trotzdem 20 Fcfa, weil ich soviel Kleingeld rausbekommen habe. Er will mit einer unverschämten Handbewegung mehr, ich schimpfe ihn, er weicht sofort zurück, gibt mir recht und geht.Die alte Frau bedankt sich für die 30 Fcfa, die ich ihr gebe, mit den Worten, dass Gott mir Gesundheit schenken möge, ich sage „amina“, wie das üblich ist, sie freut sich – wahrscheinlich, weil ich das sage, obwohl ich weiss bin -, fährt fort, mir langes Leben, gesunde Familie und alles mögliche zu wünschen, was ich jeweils mit „amina“ beantworte, bis sie lächelnd von dannen zieht und ich mich besegnet aufs Moped schwinge, um Mah von der Schule abzuholen.

Auch wenn man nicht an den lieben Gott glaubt, tut sowas einfach gut. Ich stelle mir vor wie schlechte Laune ich immer bekomme, wenn ich auf meiner Lohnabrechung nach dem Drehen sehe,  wieviel „Solidaritätsbeitrag“ mir abgezogen wurde, fahre grinsend durch Hippodromes staubige Strassen und frage mich, ob dieses System der „direkten Sozialversicherung“ wenn jeder es konsequent machen würde und vor allem nicht als milde Gabe, sondern als Pflicht und Recht, ohne sich als „Reicher“ als was besseres vorzukommen, nicht ein viel menschwürdigeres ist als das unsere mit Sozialamtsdemütigung und anonymer Banküberweisung.
30 Fcfa sind 5,2 Cent – damit ich bin, auch wenn ich selbst zur Zeit ein wenig Almosenempfänger bin, nicht ärmer geworden, sondern durch diese Erfahrung einmal mehr – wie so oft hier – unglaublich viel reicher.

Fragen an Dr. Querfurt:

Fragen an Dr. Querfurt:

  • „Wir zahlen die Steuern der Reichen  in den Drittweltländern“: Wie stehen Sie dazu? Wollen Sie keine Diskussion darüber?
  • “Wir kleistern die krassesten Wunden, die dieser asoziale Steinzeitkapitalismus hier schlägt, mit unserer Hilfe zu. Und „wir“ heisst eben nicht nur die Entwicklungshilfe, sondern vor allem auch die ONGs und privaten Initiativen, sie sich viel genauer als die staatlichen Organisationen darum kümmern, wo es wirklich am meisten brennt.” – Wie stehen Sie dazu? Wollen Sie wirklich keine Diskussion darüber?
  • “Die ONGs zementieren und perpetuieren das korrupte, verrottete Bereicherungssystem, an dem Afrika krankt. Sie sind die Engel der Reichen im Namen der Armen, die ihnen erlauben, alles beim Alten zu lassen”: Hat Dr. Seydou Segoule kostenlos ein Ultraschallgerät zur Verfügung gestellt bekommen? Wenn ja – wie stehen Sie zu der Kritik, dass er es selbst hätte bezahlen können?
  • Hat die Klinik in Kutialla – in der Nähe der „Frau mit den gynäkologischen Problemen“, die Ihnen vorgestellt wurde; von einer schwangeren steht nirgends etwas, wieso behaupten Sie das? -, ein Ultraschallgerät bekommen? Wenn nicht, stimmt es, dass der Grund dafür angebliche „Unzuverlässigkeit“ war? Hat Dr. Seydou das behauptet? Worin bestand sie?
  • Wenn Frau Dembele die Geburtsbedingungen in Mali so unerträglich findet, dass sie ihre Tochter zu diesem Zweck in die USA ausfliegt – warum ändert sie dann nichts daran? Warum fühlen Sie sich dafür verantwortlich, anstatt Frau Dembele dazu aufzufordern?
  • Wenn die Schule in Dijgue ausbauförderungswürdig ist – wieso übernimmt das nicht die der wohlhabenden malischen Oberschicht angehördende Familie der Dembele oder der malische Staat, was zu fordern selbst die „deutsche Entwicklungshilfe“, mit der Sie angeben zusammenzuarbeiten, zu ihrem Prinzip gemacht hat und was auch Mandela mit seiner Forderung meint?
  • Ist die Behauptung von Frau Dembele richtig, dass APA Deutschland einen von APA Mali, ausgeführt von Herrn Dialla Diallo, gemachten Kostenvoranschlag für den Ausbau der Schule in Dijgue in Höhe von 69 Millionen Fcfa fördern will, was über 100 000 Euro sind, damit den Mindestanforderungen des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit entspricht?
  • Strom und Trinkwasser aus der Leitung sind die elementarsten Überlebensmittel hier in Afrika. Ich selbst lebe in einem Viertel, in dem oft tagelang der Strom ausfällt (und dann nützen einem selbst Privilegien wie Computer und Kühlschrank nichts mehr) und in einem Haus ohne Leitungswasser; ich sehe täglich die Frauen und Kinder Wasser schleppen, und die jungen Männer mit Leiterwägen, die Trinkwasser ins Haus verkaufen, ich kenne durch die Wasserschlepperei der schwangeren Frauen behinderte Kinder. Ich kenne die wirklichen Verhältnisse hier besser als jeder andere Weisse. Stimmen Sie mit mir überein, dass wenn man den „Ärmsten“ helfen will, man vor allem denen helfen sollte, die kein Strom und Trinkwasser haben?
  • Lassen Sie deshalb RA Eisel behaupten, es gebe in Dijgue keinen Strom und kein Leitungswasser, obwohl das Gegenteil der Fall ist, es sogar Solaranlagen dort gibt, die Sie mit eigenen Augen gesehen haben, wie der Sie gefahren habende Taxifahrer Sacko Ishaka bestätigt? Wieso setzen Sie den Begriff „Heimatdorf“ von Frau Dembele in Anführungszeichen als sei Dijgue das nicht, obwohl das der Grund für die Auswahl dieses Dorfes ist, wie Frau Dembele ausdrücklich gefordert hatte?
  • In Welenguena gibt es weder Strom noch Wasser, die Menschen dort sind so arm, dass viele sich nicht einmal Schuhe kaufen können – ein Besuch dort, ohne Sandalen mitzubringen, ist unmöglich, aber von den Ihnen Frau Dembele geschickten 47 Kleidersäcken haben diese Menschen keinen Fetzen gesehen  -: damit haben Sie in Deutschland Hochglanzreklame gemacht, die Menschen dort aber mit Toiletten für 500 Euro und ein paar Schulheften und Schulbänken abgespeist, wobei Sie und Ihre beautragten Haby Dembele und Dr. Seydou Segoule die Menschenwürde der Menschen aus Welenguena derart mit Füssen getreten haben, dass die Bewohner von Welenguena – die ihnen zu Ehren ein Dankesfest mit Ballaphonmusik veranstaltet haben, nach dem Sie ins Hotel gegangen sind, anstatt diese Menschen näher kennen zu lernen – heute noch davon reden, dass sie die ihnen angetane Demütigung nie und nimmer vergessen werden. Können Sie wirklich mit solch einem Vorwurf der in ihrem eigenen Sinne – „die Ärmsten“ – zentral Betroffenen leben?
  • Müssen Sie mir nicht im Gegenteil zustimmen, wenn ich sage, dass Welenguena derart abzufertigen, Dijgue aber einem 100 000 Euro schweren Projekt zu bedenken, das konkrete Beispiel par excellence für meine generelle Kritik an der sogenannten Entwicklungshilfe im allgemeinen und Ihrer Arbeit von APA Deutschland und APA Mali im besonderen ist: die Reichen werden reicher und die Armen werden ärmer?

Christof Wackernagel, Bamako, den 12-1-2010

Kommentar zu dem Brief von Dr. Querfurt an Uwe Folkerts

Kommentar zu dem Brief von Dr. Querfurt an Uwe Folkerts.

1.    Selbstverständlich habe ich als erstes Mme. Dembele und Dr. Segoule bzw. ihre Arbeit kritisiert. Daraufhin haben sie mich von allen weiteren die Containertransporte und deren Verwendung betreffenden Informationen ausgeschlossen, Frau Dembele drohte mir mit Landesverweis, Dr. Segoule erklärte meinem Mitbewohner Madou Coulibaly in drei Telefongesprächen, auf welchem Wege dieser Landesverweis verwirklicht werden sollte und drohte ihm selbst mit Nachteilen, die er sein „Leben lang nicht  vergessen“ werde, wenn er nicht sofort bei mir ausziehe.
Dies alles weiss Dr. Querfurt, erklärt aber jetzt, die Betroffenen seien völlig ahnungslos.
Was für ein Spiel wird hier gespielt?
2.    Wenn Dr. Querfurt erneut erklärt, er wolle „den Ärmsten“ helfen, trifft er damit den Kern des Problems: Dass er das genau nicht tut, habe ich an unzähligen Beispielen belegt, um ihm zu helfen, von diesem verhängnisvollen Irrweg abzulassen. Er kann nicht beurteilen, was hier wem hilft – auch ich brauchte dazu einige Jahre und viele Enttäuschungen.
Nun behauptet er weiter das Gegenteil, ohne das zu belegen. Als einziges Beispiel führt er die Gesundheitszentren CSCOM an. Kurz vor Jahreswechsel war ich mit Fatoumata Gindo in einem CSCOM wegen anhaltender Magenkrämpfe: Konsulation, Ultraschalluntersuchung und Medikamente kosteten 24 000 FCFA. Das Gehalt eines Grundschullehrers beträgt 25 000. Ein Grossteil der Bevölkerung kann sich das CSCOM nicht leisten.
Wieso ignoriert Dr. Querfurt die Realität? Wieso verweigert er die Zusammenarbeit mit einer international anerkannten Organisation, die diese Realität bekämpft? Um was geht es eigentlich?
3.    Cuba ist ein sozialistischer Staat mit einem weltweit vorbildlichen Gesundheitswesen, das vor allem für die Ärmsten kostenlos ist. Dem cubanischen Gesundheitsystem zu helfen, heisst, diesem gesellschaftlichen System zu helfen.
Mali ist ein kapitalistischer Staat, in dem ohne Korruption nichts geht, was weltweit und in Mali bekannt ist. Sein Gesundheitssystem ist nur der wohlhabenden Oberschicht zugänglich. Dem malischen Gesundheitssystem zu helfen, heisst, diesem gesellschaftlichen System zu helfen.
Ist das wirklich so schwer zu verstehen?

Christof Wackernagel, Bamako, den 11-1-2010