Samstag in Bamako

Samstag in Bamako

Vor dem Laden, in dem ich Essig gekauft habe, stehen ein Junge und eine Frau mit Sammelbüchsen. Ich habe mir schon lange abgewöhnt, sie als „Bettler“ zu sehen – es gibt hier keine Sozialversicherung – sie sind Anspruchsberechtigte, die sich ihren Anteil von Mensch zu Mensch holen.Der Junge ist wahrscheinlich Waise, der bei einem Marabut lebt und einen Anteil ranschaffen muss – ich mag das zwar nicht, gebe aber trotzdem 20 Fcfa, weil ich soviel Kleingeld rausbekommen habe. Er will mit einer unverschämten Handbewegung mehr, ich schimpfe ihn, er weicht sofort zurück, gibt mir recht und geht.Die alte Frau bedankt sich für die 30 Fcfa, die ich ihr gebe, mit den Worten, dass Gott mir Gesundheit schenken möge, ich sage „amina“, wie das üblich ist, sie freut sich – wahrscheinlich, weil ich das sage, obwohl ich weiss bin -, fährt fort, mir langes Leben, gesunde Familie und alles mögliche zu wünschen, was ich jeweils mit „amina“ beantworte, bis sie lächelnd von dannen zieht und ich mich besegnet aufs Moped schwinge, um Mah von der Schule abzuholen.

Auch wenn man nicht an den lieben Gott glaubt, tut sowas einfach gut. Ich stelle mir vor wie schlechte Laune ich immer bekomme, wenn ich auf meiner Lohnabrechung nach dem Drehen sehe,  wieviel „Solidaritätsbeitrag“ mir abgezogen wurde, fahre grinsend durch Hippodromes staubige Strassen und frage mich, ob dieses System der „direkten Sozialversicherung“ wenn jeder es konsequent machen würde und vor allem nicht als milde Gabe, sondern als Pflicht und Recht, ohne sich als „Reicher“ als was besseres vorzukommen, nicht ein viel menschwürdigeres ist als das unsere mit Sozialamtsdemütigung und anonymer Banküberweisung.
30 Fcfa sind 5,2 Cent – damit ich bin, auch wenn ich selbst zur Zeit ein wenig Almosenempfänger bin, nicht ärmer geworden, sondern durch diese Erfahrung einmal mehr – wie so oft hier – unglaublich viel reicher.

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