Gefrorenes Wasser: »Glassi«

Gefrorenes Wasser: »Glassi«

Die meisten Leute in unserem Viertel haben keinen Kühlschrank. Wenn es heiss wird, sind auch für die hartgesottensten Afrikaner 40 bis 45 Grad kein Vergnügen mehr, und man lechzt nach Erfrischung wie jeder Europäer auch. Hat man keinen Kühlschrank, ist das an der Wasserstelle aus dem Wasserhahn kommende oder vom Wassermann »Dschi-Tigi“« gelieferte Wasser im besten Falle lauwarm, meist sogar warm; lässt man einen Eimer aus Versehen in der Sonne stehen, wird das Wasser so heiss, dass man sich die Finger daran verbrennt.

Das einzige, was da noch hilft, sind Eiswürfel oder irgendwelche Eisbrocken, mit Hilfe derer man die Brühe kühl oder gar kalt bekommt.

Da man mit Eiswürfeln den Bedarf niemals decken könnte, hat man hier eine »Eiswürfeleinheit« in Form von ½ oder 1 Liter Plastik-Säckchen entwickelt, die 25 oder 50 Fcfa kosten, 4 bzw. 8 Cent. Der Name: »Glassi«.

Wer das Privileg hat, einen Kühlschrank mit Eisfach zu besitzen (oder, um dem Ansturm einigermassen gerecht zu werden, sich sogar eine Tiefkühltruhe leisten kann), der ist geradezu verpflichtet, folgende Arbeit Tag für Tag zu absolvieren, auch wenn sich damit wahrlich nicht das grosse Geld machen lässt:

  1. Akt:

Einfüllen des Wassers in die Plastiksäckchen – hier
½ Liter Version.

  1. Akt:

Hundertprozentiges Verschliessen der oberen Öffnung durch zweimaliges um 360 Grad kreisen lassen und die entstandene Schlaufe fest zuziehen und neben den Kühlschrank stand by Stellen.

folgt der

  1. Akt:


In den normalen Kühlschrank zum Vorkühlen packen – direkt im Eisfach würde selbigtes eine Krise kriegen, derart kompakt mit 40 Grad Material konfrontiert.

Folgt der:

  1. Akt:

Ab ins Tiefkühlfach!

Wenn dort ordentlich durchgekühlt folgt der

  1. Akt:

und die Kostbarkeiten landen knochenhart in derTiefkühltruhe zumVerkaufen!

Dieses kann je nach Wetterlage morgens um 7 beginnen und bis 23 Uhr gehen!

Und zwar folgendermassen:

Es klopft an den Laden des Küchenfenster, eine Stimme (oft die eines Kindes) ruft:

»Auni sogoma« (Guten Morgen) oder »Auni tile/wula/shu« (Mittag/Nachmittag/Abend)

Egal ob im Zimmer, auf dem Dach oder bei  Essen, antwortet man:

»n`ba« (die Frauen: »n‘se«) »i ni sogoma« (etc).

Wer glaubt, jetzt werde nach dem „Glassi“ gefragt, hat sich getäuscht! Erst kommt noch die Frage nach dem Wohlergehen, womöglich auch dem der Kinder und der Familie insgesamt!

Sitzt man gar draussen vor der Tür mit Buch, Tee oder nur so zum Quatschen, kann sich sogar noch eine kleine Unterhaltung oder das Fussballspiel von gestern abend anschliessen, bevor irgendwann die Frage kommt:

»Hör mal, habt Ihr Glassi?!“

Wenn ja, wird geklärt wieviel Säckchen und es folgt der

  1. Akt:

Madu mit der heiss begehrten kühlen Köstlichkeit! Dem einzigen, was in der unerträglichen Hitze noch Linderung verspricht und eilig, oft in mitgebrachten Kühlboxen nach Hause getragen wird. Bleibt also nur noch der

  1. und letzte Akt:

Das Objekt der Begierde durchs Küchenfenster gereicht! Nun ist die Welt wieder in Ordnung!

Zum Abschluss ein kleiner Preisvergleich:

In der Mitte oben das 25 Fcfa Stück. Links das »Glassi«, das man dafür haben kann, rechts davon ein Säckchen ungemahlener Pfeffer, eine Tomate und eine Mangoro, wie man hier zu Mangos sagt, zum gleichen Preis.

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