APA – Aktion Pro Afrika: Erklärung zur näheren Erläuterung…

APA – Aktion Pro Afrika: Erklärung zur näheren Erläuterung…

1. abstrakt:

Je länger ich hier lebe, desto krasser fällt mir der Widerspruch zwischen arm und reich auf, bzw. genauer gesagt: desto mehr fällt mir der immer unübersehbarere Reichtum mehr als nur einer kleinen Oberschicht auf. Es gibt überhaupt keine Zahlen und Statistiken, jedenfalls komme ich an keine heran, wieviele Leute hier eigentlich wieviel besitzen und woher es kommt, und der Hinweis auf Exilmalier oder gar Drogenhandel lenkt da nur ab. Gehe ich nach dem Augenschein, sehe ich jedenfalls in Bamako bald genauso viel  Reiche wie Arme: und beide umso extremer. Selbst in meinem Viertel, das zum unteren Niveau gehört, hat jedes vierte Haus eine riesige Satellitenschüssel, sehe ich in jeder Strasse mehrere neueste Mercedesse (nicht die alten 190er!), und gibt es einige Prunkvillen, die alles übertreffen, was ein normaler Mensch sich leisten kann. Seit ich selbst gebaut habe, kann ich beurteilen, was was kostet und staune immer wieder, wenn ich z.B. in Vororten Neubauten mit Aluminiumfenstern sehe, wie ich sie mir nur leisten kann, falls ich  wieder Hauptrollen in Kinofilmen spielen werde.

Gleichzeitig schreibt Brigitte Erler schon  1989 in meiner „Bibel“ in diesem Zusammenhang,  („Tödliche Hilfe“, Dreisam Verlag), dass wenn in diesen Ländern (sie war damals in Bangladesh, konnte das als Staatssekretärin des Entwicklungshilfeministeriums aber weltweit sagen) die Reichen nur 2-10 Prozent Steuern zahlen würden, die gesamten Zahlungen der internationalen Entwicklungshilfe gedeckt wären.  2004 schreibt Jean Ziegler in „Imperium der Schande“ (Goldmann), dass es in Afrika 600 Dollarmillionäre gibt, und es jedes Jahr 100 mehr werden, sie ihr Geld aber nicht in Afrika anlegen, um dessen Wirtschaft zu entwickeln,  sondern in der Schweiz bunkern oder auf die internationalen Finanzmärkte werfen. Alle diese zahlen keine Steuern, was man auch an den Kampagnen ablesen kann, mit denen hier zum Steuern zahlen aufgefordert wird.
Das heisst: wir zahlen die Steuern der Reichen in den Drittweltländern. 

Anders gesagt: Wir kleistern die krassesten Wunden, die dieser asoziale Steinzeitkapitalismus hier schlägt, mit unserer Hilfe zu. Und „wir“ heisst eben nicht nur die Entwicklungshilfe, sondern vor allem auch die ONGs und privaten Initiativen, sie sich viel genauer als die staatlichen Organisationen darum kümmern, wo es wirklich am meisten brennt.

Für mich ist das alles nur noch Aufforderung zur Korruption, so wie man es Aufforderung zum Diebstahl nennt, wenn man einen dicken Geldbeutel auf das Handschuhfach des Autos legt und das Fenster offen lässt.

Die ONGs zementieren und perpetuieren das korrupte, verrottete Bereicherungssystem, an dem Afrika krankt. Sie sind die Engel der Reichen im Namen der Armen, die ihnen erlauben, alles beim Alten zu lassen.

Das ist der Hauptwiderspruch, den ich hier sehe, von den furchtbaren Nebenwirkungen wie Zerstörung der Menschenwürde, Niedergang der Moral, Erosion des Selbstbewusstseins und Selbstwertgefühls der Menschen ausnahmsweise mal abgesehen, obwohl das ansonsten mein Hauptthema und Hauptschmerz, das miterleben zu müssen, ist.

2. Konkretes Beispiel APA.

APA eignet sich deshalb so gut, diesen Widerspruch transparent zu machen, weil hier das Allgemeine und das besondere zusammenfallen. Während normalerweise von den ONGs Leute profitieren, die es brauchen können, mal ein Moped zu bekommen oder ein  Telefon oder gar ein Visum (obwohl sie meist eh schon zu den Privilegierten gehören, allein schon, weil sie eine Schulbildung besitzen), also der Zusammenhang, dass die Oberschicht profitiert, verschleiert wird, sind im Falle APA die Leute, die die Hilfsgüter einstecken identisch mit denen, die sie bezahlen könnten und müssten.

Haby Dembele ist nicht nur Goldminenbesitzerin, und hat mir, als ich ein Haus suchte, drei Grundstücke in diesem Viertel und Hippodrome II angeboten, sondern sie gehört vor allem einer Familie an, die den Schulausbau in ihrem Heimatdorf, den APA mit 100 000 Euro (75 % davon der deutsche Steuerzahler) finanzieren möchte, aus der Portokasse zahlen könnte, ihr Schwager war sogar Minister (sein Sohn fährt im weissen Mercedes vor – als ich das zum ersten Mal sah, fing ich an, genauer hinter die Kulissen zu gucken), ihr Bruder ist Steuereintreiber, was, zusammen mit Zöllner, der beliebteste Beruf ist, denn diese Leute kassieren höchstpersönlich einen Grossteil desssen, was eigentlich der Staat bekommen müsste, als Schweigegeld.
Warum soll diese Familie die Schule im Heimatdorf zahlen, wenn die Deutschen so blöd sind, es für sie zu tun?

Dr. Seydou Segoule, der APA beratende Arzt, hat mich x mal gebeten, ihm Firmen in Deutschland zu nennen, bei denen er gebrauchte Ultraschallgeräte kaufen könne, er könne sie bezahlen (was ich ihm glaube, er hat ein Haus, Autos, Mätressen und Orangenplantagen) – ich konnte ihm nicht helfen, aber nachdem ich zu der Ärztegeschichte gekommen bin wie die Jungfrau zum  Kind, hat er nun ein Ultraschallgerät umsonst bekommen:
Wieso soll er es dann selbst bezahlen?

b- Was den Fall APA allerdings zum politisch-moralischen Skandal macht, ist die Weigerung, mit Organisationen zusammenzuarbeiten, die diese korrupte Struktur durchbrechen.

Schon bei seinem ersten Besuch wurde Dr. Querfurt eine der 150 in Mali arbeitenden cubanischen Ärzte und Ärztinnen vorgestellt. Er selbst schreibt in seinem Bericht, dass ich sagte: „da haben wir das missing link“, denn wer besser könnte ihn über die medizinischen Verhältnisse in Mali aufklären als diese Ärzte, deren Vertreterin schon bei diesem Gespräch sagte, das für sie Unfassbarste sei, dass die Menschen, die nicht bezahlen könnten, sterben gelassen werden.

Beim zweiten Besuch wurden ihm und seiner Frau die „action sante“ , die mit über 20 Mann und Frau anmarschiert kam und seit 10 Jahren konstenlose Krankenberatung, Aufklärung im Radio und in Stadtviertelversammlungen, comedy sketche, Organisation der Verteilung von kostenlosen Medikamenten, Kleidersammlungen, eine jährliche Aktionswoche gegen Beschneidung in ganz Bamako und vieles anderes macht: was will man eigentlich noch besseres, verifizierteres, bereits bestehendes als Partner? Querfurt lehnte u.a. ab, weil jedes Jahr der Vorsitz wechselt und so angeblich keine kontinuierliche Zusammenarbeit möglich sei: dieser Wechsel ist eine der zentralen Massnahmen gegen Korruption, und die Gruppe macht noch ganz andere kontinuierliche Arbeit als die Entgegennahme von ab und zu einem Container. Ich habe einen Film über diese Gruppe gemacht und nach Deutschland gesandt, ich habe Dokumente geschickt über Aktivitäten, ich habe für ein Gespräch Januar 2009 in Bamako gesorgt, bei dem Querfurt auf dreimalige Nachfrage erklärte, dass ihn andere Aktivitäten oder Gruppen in Mali „nicht interessieren“.

In dem o.g. Film ist auch eine Szene im Medikamentenlager der „medicins d’espoir“, die mit der „action sante“  und den cubanischen Ärzten zusammenarbeitet, zu sehen, der Initiator Dr. Oumar Marico und die Eröffnung der 12. Krankenstation, speziell für Mutter und Kind, die diese Vereinigung in diesem Land mit einer höchsten Kindersterblichkeitsraten der Welt aufgebaut hat – ebenfalls in Anwesenheit von cubanischen Ärzten – was will Querfurt eigentlich in Cuba, wenn ihn die Arbeit der Cubaner in der Welt „nicht interessiert“?

Es ist schlimm genug, wenn Reiche reicher werden im Namen der Armen, weil es sonst keine Alternative gibt – wenn aber welche der wenigen und schwer genug zu findenden Alternativen explizit ausgeschlagen werden, wenn also die Korruption gefördert wird, obwohl es es nachgewiesenermassen antikorrupte Initiativen gibt, dann ist das politisch, moralisch und medizinisch nicht mehr hinnehmbar.

3. Die Haltung.

Auch ich wurde, als ich nach Mali kam, in diesen Sog, dass „man“ hier „was machen“ muss hineingezogen, liess mich hineinziehen, obwohl ich ja eigentlich nur kam, um ihn Ruhe meinen Roman zu schreiben. Ich erfand als erstes ein Plastikbeseitigungsspiel für Kinder, liess mich dann auf das Vollkornbrotprojekt ein, obwohl ich ursprünglich die Idee hatte, eine Bäckerei zu suchen, auf was es am Ende dann herauslief, und obwohl mir dabei schon einiges aufgegangen war, machte ich mit den deutschen Ärzten zunächst wieder den gleichen Fehler: obwohl ich keine Ahnung hatte, was gebraucht wird und was los ist, als Nicht Arzt doppelt und dreifach (das Vollkornbrot wird ja wenigstens gebraucht und immer mehr gewollt), half ich, etwas von aussen zu oktroyieren und zu diktieren, anstatt zu gucken, was vorhanden ist und das zu unterstützen.

Diese Haltung ist ubiquitär und unentrinnbar: man kommt hierher, schaut sich Ärmel hochkrempelnd um und fragt: „was kann ich tun?“
Und darf sich, bescheinigt vom Rest der Welt, noch einbilden, man sei der gute Mensch von Sezuan.
So geht’s aber nicht.
Diese Haltung hilft den Falschen, verlängert das Elend, verhindert Entwicklung.

Und ob man das in Kauf nimmt, um eine akute Not zu lindern, was ja ein Rechtfertigungsgrund wäre, kann wirklich nur jeder für sich selbst entscheiden, da gibt es keinen Königsweg. Ich persönlich mache keine und unterstütze keine Projekte mehr, die von aussen kommen.

Als mein Freund Ebby hier war, brachte er zum Beispiel Bäckern hier Sauerteigherstellung bei, so einfach, kein Projekt, nix, aber grosse Wirkung.
Da ich Schauspieler und Autor bin, spiele ich bei einer vorhandenen Theatergruppe mit, die engagiertes Theater macht, eher so wie bei uns in den sechzigern und siebzigern. Ich habe bereits einen Ladenbesitzer in einem Stück über Kindererziehung gespielt, wir entwickeln gerade mit einer Trommelgruppe zusammen ein neues Stück gegen Beschneidung, wozu ich auf Bitten der anderen und nach Absprache einen programmatischen Text schrieb, ein Stück über Verkehrserziehung ist in Arbeit, bei dem ich einen Verkehrsbullen mit Trillerpfeife spielen soll, der verzweifelt gegen das Chaos kämpft.

Ich sehe das auch im übertragenen Sinne als die einzige Möglichkeit, egal auf welchem Gebiet:
nicht initiieren, diktieren, vorgeben, einführen, und dann  auch noch bezahlen, sondern:
mit-spielen, sich einklinken, in was Vorhandenes was dazugeben, seine Erfahrung, Wissen oder Können einbringen.

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