Straßenzustand und Politik

Straßenzustand und Politik

Die Rue 300 des Bamakeser Stadtteils Hippodrome ist zwar typisch für die meisten Strassen hier, übertrifft aber die meisten anderen aus zwei Gründen: 1. ist das in der Mitte fliessende Abwasser von giftigen Färbechemikalien durchsetzt, die eine Gruppe von Frauen hineingiesst, die 200 Meter weiter oben eine Färberei auf der Strasse betreibt, was vor allem katastrophale Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder hat und 2. wird mit jeder Regenzeit auf der abschüssigen Strasse der ohnehin lose Lehmbelag weiter ausgewaschen, sodass sie an manchen Stellen eine Berg- und Tal Geisterbahn ist.

Nun hat sich eine Bürgerinitiative gebildet, die Abhilfe schaffen will, da das Bürgermeisteramt untätig bleibt (bzw. man die Beamten bestechen müsste, damit sie einem die Genehmigung geben, es auf eigene Kosten zu reparieren!).

Bei inzwischen zwei Vollversammlungen fast sämtlicher Anwohner unseres Strassenabschnittes wurde beschlossen,
–    dass jedes Grundstück – gleich, ob mehrere Familien oder nur eine darauf wohnen – 10.000 Fcfa pro Monat zahlt (bei 20 Häusern ergibt das 200.000 pro Monat, ca. 300 Euro);
–    dass die in unserer Strasse wohnende Ingenieurin, Sally Gakou, die Vorsitzende der Ingenieursvereinigung ist und den Bau einer vom Präsidenten initiierten und nach ihm benannten Sozialwohnungssiedlung (ATTbougou – arme Familien können dort ein Reihenhäuschen erwerben und es 25 Jahre lang mit minimalen Raten abstottern) leitet, eine Expertise erstellen lässt, wie viel Arbeit, wie viel Material und wie viel Geld nötig sein wird, um zunächst nur unseren Strassenabschnitt herzurichten, was heisst:
1. das giftige Abwasser durch ein Rohr in der Mitte der Strasse zu leiten
2. die Strasse mit dem hier üblichen roten Sand aufzuschütten und
3. einen Strassenbelag mit den aus der Umgebung von Bamako gewonnenen üblichen roten Sandsteinplatten und Zement zu bauen. Was in Eigenarbeit zu machen ist, wird von den Anwohners gemacht, soweit nötig, müssen Experten bezahlt werden.
–    dass ein Konto eingerichtet wird, über das das ein- und ausgehende Geld für alle transparent verwaltet wird;
–    dass an jedem ersten Sonntag jeden Monats um 16 Uhr eine Vollversammlung stattfinden soll, die vor 18 Uhr beendet sein muss, da dann die meisten zum Beten nach Hause müssen;
–    dass ein Executivausschuss eingerichtet wird, die sich um die laufenden Aufgaben wie Protokolle erstellen, Geld einsammeln, Konto einrichten, kümmert;
–    dass das Vorhaben auf alle mögliche Weise publik gemacht werden soll, um zusätzliche finanzielle Unterstützung zu bekommen;
–    dass das Vorhaben trotz des Widerspruchs, dass das Grundproblem damit nur bis zur nächsten Strassenecke verschoben wird – das giftige Wasser sprudelt dann in der Strasse »Mama Thiam« munter aus dem Abflussrohr – , realisiert werden soll, in der Hoffnung, damit ein Beispiel zu geben und weitere Initiativen anzuregen – solange bis es im Niger anlangt und dort die letzten Flusspferde und Krokodile umbringen wird, weil kein Geld für eine Kläranlage da ist.

Bei der zweiten Versammlung war der Stellvertreter des Bezirksbürgermeisters anwesend, der die Initiative sehr lobte, ihr komplette Handlungsfreiheit garantierte und bestätigte, dass weder mit Geld noch mit Rat noch mit materieller Unterstützung seitens der Stadtverwaltung zu rechnen sei, da sich sämtliche Unterstützungsleistungen des Magistrats auf ein Viertel in der Innenstadt – Medina Coura –  konzentrierten, das bereits weitgehend saniert ist.
In diesem Zusammenhang ist es interessant zu wissen, dass dies auf Initiative einer international bekannten Professorin – Aminata Traore – geschah, zum grössten Teil finanziert von der belgischen und der deutschen  Botschaft. Ebenfalls unterstützt wurde der Bau eines Marktplatzes, eines Restaurants und eines Hotels im klassischen malischen Stil, unter Verwendung von  ausschliesslich Baumaterialen aus der Umgegend von Bamako.
Der damalige deutsche Botschafter Carl Prinz erklärte, dass Projekte zur Entwicklung des Landes »nur so möglich« seien, nämlich »unter Einschaltung einer international renommierten einheimischen Persönlichkeit, die die korrekte Durchführung garantiert«. Frau Traoré wohnt in diesem Viertel, und für Mitglieder ihrer Gesellschaftsschicht sowie wohlhabende Touristen ist es sicherlich bezahlbar, auf diese Weise äusserst stilvoll zu speisen und zu nächtigen.
Den Nicht-Diplomaten und Nicht-Politiker erinnert das Ganze eher an Schickerialokale der Düsseldorfer Kö oder des Münchner Odeonsplatzes; von den Verhältnissen, Problemen und Notwendigkeiten, die er in den letzten  drei Jahren hier antraf, von den Bedürfnissen, Sorgen und Wünschen der Menschen, die er kennenlernte, fand er nichts darin wieder.
Der einheimische Musiker Madou Coulibaly berichtet, dass er mit seiner Gruppe im Innenhof dieses Restaurants – »Santoro« – gespielt habe, es den Mitgliedern der Gruppe aber untersagt gewesen sei, die Gasträume zu betreten – die Musiker hatten nur dem stilvollen warming up zu dienen.

Inzwischen hat Sally Gakou, die, wie gesagt, Leiterin des ATTBouhou Bauprojekts ist, auf eigene Initiative – die freilich auch als Beitrag zur Wahlkampagne des Präsidenten ATT gesehen wurde, der im April gerne für eine zweite Amtszeit gewählt werden möchte, was auch für Mme. Gakou Beibehaltung von Ämtern und Würden bedeutete – die Strasse mit Sand aufschütten lassen, woraufhin die Arbeit an  der Expertise begonnen werden konnte:

Ergebnis: es wären 10  Millionen Fcfa nötig (15.000 Euro), allein der Zement würde 5 Millionen kosten, und selbst wenn man alle möglichen Kosten senkte, bliebe es bei 6 – 7 Millionen also ca. 10.000 Euro. Nachdem nicht einmal die monatlichen 10.000 Fcfa von allen 20 an diesem Strassenabschnitt wohnenden Parteien gezahlt wurde, ist schwerlich damit zu rechnen, dass das Geld vor der nächsten Regenzeit zusammenkommt, obwohl es sich nur um 500 Euro pro Partei handeln würde. Angesichts der tatsächlichen Nöte in diesem Land, wie sie im folgenden z.B. anhand der Situation in Quelengena beschrieben werden, ist es auch nicht zu verantworten, ausländische Gelder zu beantragen (siehe oben), denn Mali ist sicherlich ein statistisch gesehen armes Land, das heisst aber nicht, dass es hier keinen Reichtum gebe, und wer sich solche Autos leisten kann:
der müsste auch seinen Anteil für die Strassenreparatur übrig haben.

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