APA – Aktion Pro Afrika: Erklärung zur näheren Erläuterung…

APA – Aktion Pro Afrika: Erklärung zur näheren Erläuterung…

1. abstrakt:

Je länger ich hier lebe, desto krasser fällt mir der Widerspruch zwischen arm und reich auf, bzw. genauer gesagt: desto mehr fällt mir der immer unübersehbarere Reichtum mehr als nur einer kleinen Oberschicht auf. Es gibt überhaupt keine Zahlen und Statistiken, jedenfalls komme ich an keine heran, wieviele Leute hier eigentlich wieviel besitzen und woher es kommt, und der Hinweis auf Exilmalier oder gar Drogenhandel lenkt da nur ab. Gehe ich nach dem Augenschein, sehe ich jedenfalls in Bamako bald genauso viel  Reiche wie Arme: und beide umso extremer. Selbst in meinem Viertel, das zum unteren Niveau gehört, hat jedes vierte Haus eine riesige Satellitenschüssel, sehe ich in jeder Strasse mehrere neueste Mercedesse (nicht die alten 190er!), und gibt es einige Prunkvillen, die alles übertreffen, was ein normaler Mensch sich leisten kann. Seit ich selbst gebaut habe, kann ich beurteilen, was was kostet und staune immer wieder, wenn ich z.B. in Vororten Neubauten mit Aluminiumfenstern sehe, wie ich sie mir nur leisten kann, falls ich  wieder Hauptrollen in Kinofilmen spielen werde.

Gleichzeitig schreibt Brigitte Erler schon  1989 in meiner „Bibel“ in diesem Zusammenhang,  („Tödliche Hilfe“, Dreisam Verlag), dass wenn in diesen Ländern (sie war damals in Bangladesh, konnte das als Staatssekretärin des Entwicklungshilfeministeriums aber weltweit sagen) die Reichen nur 2-10 Prozent Steuern zahlen würden, die gesamten Zahlungen der internationalen Entwicklungshilfe gedeckt wären.  2004 schreibt Jean Ziegler in „Imperium der Schande“ (Goldmann), dass es in Afrika 600 Dollarmillionäre gibt, und es jedes Jahr 100 mehr werden, sie ihr Geld aber nicht in Afrika anlegen, um dessen Wirtschaft zu entwickeln,  sondern in der Schweiz bunkern oder auf die internationalen Finanzmärkte werfen. Alle diese zahlen keine Steuern, was man auch an den Kampagnen ablesen kann, mit denen hier zum Steuern zahlen aufgefordert wird.
Das heisst: wir zahlen die Steuern der Reichen in den Drittweltländern. 

Anders gesagt: Wir kleistern die krassesten Wunden, die dieser asoziale Steinzeitkapitalismus hier schlägt, mit unserer Hilfe zu. Und „wir“ heisst eben nicht nur die Entwicklungshilfe, sondern vor allem auch die ONGs und privaten Initiativen, sie sich viel genauer als die staatlichen Organisationen darum kümmern, wo es wirklich am meisten brennt.

Für mich ist das alles nur noch Aufforderung zur Korruption, so wie man es Aufforderung zum Diebstahl nennt, wenn man einen dicken Geldbeutel auf das Handschuhfach des Autos legt und das Fenster offen lässt.

Die ONGs zementieren und perpetuieren das korrupte, verrottete Bereicherungssystem, an dem Afrika krankt. Sie sind die Engel der Reichen im Namen der Armen, die ihnen erlauben, alles beim Alten zu lassen.

Das ist der Hauptwiderspruch, den ich hier sehe, von den furchtbaren Nebenwirkungen wie Zerstörung der Menschenwürde, Niedergang der Moral, Erosion des Selbstbewusstseins und Selbstwertgefühls der Menschen ausnahmsweise mal abgesehen, obwohl das ansonsten mein Hauptthema und Hauptschmerz, das miterleben zu müssen, ist.

2. Konkretes Beispiel APA.

APA eignet sich deshalb so gut, diesen Widerspruch transparent zu machen, weil hier das Allgemeine und das besondere zusammenfallen. Während normalerweise von den ONGs Leute profitieren, die es brauchen können, mal ein Moped zu bekommen oder ein  Telefon oder gar ein Visum (obwohl sie meist eh schon zu den Privilegierten gehören, allein schon, weil sie eine Schulbildung besitzen), also der Zusammenhang, dass die Oberschicht profitiert, verschleiert wird, sind im Falle APA die Leute, die die Hilfsgüter einstecken identisch mit denen, die sie bezahlen könnten und müssten.

Haby Dembele ist nicht nur Goldminenbesitzerin, und hat mir, als ich ein Haus suchte, drei Grundstücke in diesem Viertel und Hippodrome II angeboten, sondern sie gehört vor allem einer Familie an, die den Schulausbau in ihrem Heimatdorf, den APA mit 100 000 Euro (75 % davon der deutsche Steuerzahler) finanzieren möchte, aus der Portokasse zahlen könnte, ihr Schwager war sogar Minister (sein Sohn fährt im weissen Mercedes vor – als ich das zum ersten Mal sah, fing ich an, genauer hinter die Kulissen zu gucken), ihr Bruder ist Steuereintreiber, was, zusammen mit Zöllner, der beliebteste Beruf ist, denn diese Leute kassieren höchstpersönlich einen Grossteil desssen, was eigentlich der Staat bekommen müsste, als Schweigegeld.
Warum soll diese Familie die Schule im Heimatdorf zahlen, wenn die Deutschen so blöd sind, es für sie zu tun?

Dr. Seydou Segoule, der APA beratende Arzt, hat mich x mal gebeten, ihm Firmen in Deutschland zu nennen, bei denen er gebrauchte Ultraschallgeräte kaufen könne, er könne sie bezahlen (was ich ihm glaube, er hat ein Haus, Autos, Mätressen und Orangenplantagen) – ich konnte ihm nicht helfen, aber nachdem ich zu der Ärztegeschichte gekommen bin wie die Jungfrau zum  Kind, hat er nun ein Ultraschallgerät umsonst bekommen:
Wieso soll er es dann selbst bezahlen?

b- Was den Fall APA allerdings zum politisch-moralischen Skandal macht, ist die Weigerung, mit Organisationen zusammenzuarbeiten, die diese korrupte Struktur durchbrechen.

Schon bei seinem ersten Besuch wurde Dr. Querfurt eine der 150 in Mali arbeitenden cubanischen Ärzte und Ärztinnen vorgestellt. Er selbst schreibt in seinem Bericht, dass ich sagte: „da haben wir das missing link“, denn wer besser könnte ihn über die medizinischen Verhältnisse in Mali aufklären als diese Ärzte, deren Vertreterin schon bei diesem Gespräch sagte, das für sie Unfassbarste sei, dass die Menschen, die nicht bezahlen könnten, sterben gelassen werden.

Beim zweiten Besuch wurden ihm und seiner Frau die „action sante“ , die mit über 20 Mann und Frau anmarschiert kam und seit 10 Jahren konstenlose Krankenberatung, Aufklärung im Radio und in Stadtviertelversammlungen, comedy sketche, Organisation der Verteilung von kostenlosen Medikamenten, Kleidersammlungen, eine jährliche Aktionswoche gegen Beschneidung in ganz Bamako und vieles anderes macht: was will man eigentlich noch besseres, verifizierteres, bereits bestehendes als Partner? Querfurt lehnte u.a. ab, weil jedes Jahr der Vorsitz wechselt und so angeblich keine kontinuierliche Zusammenarbeit möglich sei: dieser Wechsel ist eine der zentralen Massnahmen gegen Korruption, und die Gruppe macht noch ganz andere kontinuierliche Arbeit als die Entgegennahme von ab und zu einem Container. Ich habe einen Film über diese Gruppe gemacht und nach Deutschland gesandt, ich habe Dokumente geschickt über Aktivitäten, ich habe für ein Gespräch Januar 2009 in Bamako gesorgt, bei dem Querfurt auf dreimalige Nachfrage erklärte, dass ihn andere Aktivitäten oder Gruppen in Mali „nicht interessieren“.

In dem o.g. Film ist auch eine Szene im Medikamentenlager der „medicins d’espoir“, die mit der „action sante“  und den cubanischen Ärzten zusammenarbeitet, zu sehen, der Initiator Dr. Oumar Marico und die Eröffnung der 12. Krankenstation, speziell für Mutter und Kind, die diese Vereinigung in diesem Land mit einer höchsten Kindersterblichkeitsraten der Welt aufgebaut hat – ebenfalls in Anwesenheit von cubanischen Ärzten – was will Querfurt eigentlich in Cuba, wenn ihn die Arbeit der Cubaner in der Welt „nicht interessiert“?

Es ist schlimm genug, wenn Reiche reicher werden im Namen der Armen, weil es sonst keine Alternative gibt – wenn aber welche der wenigen und schwer genug zu findenden Alternativen explizit ausgeschlagen werden, wenn also die Korruption gefördert wird, obwohl es es nachgewiesenermassen antikorrupte Initiativen gibt, dann ist das politisch, moralisch und medizinisch nicht mehr hinnehmbar.

3. Die Haltung.

Auch ich wurde, als ich nach Mali kam, in diesen Sog, dass „man“ hier „was machen“ muss hineingezogen, liess mich hineinziehen, obwohl ich ja eigentlich nur kam, um ihn Ruhe meinen Roman zu schreiben. Ich erfand als erstes ein Plastikbeseitigungsspiel für Kinder, liess mich dann auf das Vollkornbrotprojekt ein, obwohl ich ursprünglich die Idee hatte, eine Bäckerei zu suchen, auf was es am Ende dann herauslief, und obwohl mir dabei schon einiges aufgegangen war, machte ich mit den deutschen Ärzten zunächst wieder den gleichen Fehler: obwohl ich keine Ahnung hatte, was gebraucht wird und was los ist, als Nicht Arzt doppelt und dreifach (das Vollkornbrot wird ja wenigstens gebraucht und immer mehr gewollt), half ich, etwas von aussen zu oktroyieren und zu diktieren, anstatt zu gucken, was vorhanden ist und das zu unterstützen.

Diese Haltung ist ubiquitär und unentrinnbar: man kommt hierher, schaut sich Ärmel hochkrempelnd um und fragt: „was kann ich tun?“
Und darf sich, bescheinigt vom Rest der Welt, noch einbilden, man sei der gute Mensch von Sezuan.
So geht’s aber nicht.
Diese Haltung hilft den Falschen, verlängert das Elend, verhindert Entwicklung.

Und ob man das in Kauf nimmt, um eine akute Not zu lindern, was ja ein Rechtfertigungsgrund wäre, kann wirklich nur jeder für sich selbst entscheiden, da gibt es keinen Königsweg. Ich persönlich mache keine und unterstütze keine Projekte mehr, die von aussen kommen.

Als mein Freund Ebby hier war, brachte er zum Beispiel Bäckern hier Sauerteigherstellung bei, so einfach, kein Projekt, nix, aber grosse Wirkung.
Da ich Schauspieler und Autor bin, spiele ich bei einer vorhandenen Theatergruppe mit, die engagiertes Theater macht, eher so wie bei uns in den sechzigern und siebzigern. Ich habe bereits einen Ladenbesitzer in einem Stück über Kindererziehung gespielt, wir entwickeln gerade mit einer Trommelgruppe zusammen ein neues Stück gegen Beschneidung, wozu ich auf Bitten der anderen und nach Absprache einen programmatischen Text schrieb, ein Stück über Verkehrserziehung ist in Arbeit, bei dem ich einen Verkehrsbullen mit Trillerpfeife spielen soll, der verzweifelt gegen das Chaos kämpft.

Ich sehe das auch im übertragenen Sinne als die einzige Möglichkeit, egal auf welchem Gebiet:
nicht initiieren, diktieren, vorgeben, einführen, und dann  auch noch bezahlen, sondern:
mit-spielen, sich einklinken, in was Vorhandenes was dazugeben, seine Erfahrung, Wissen oder Können einbringen.

APA – Aktion Pro Afrika: die Reichen werden reicher – die Armen werden ärmer.

APA – Aktion Pro Afrika:
die Reichen werden reicher – die Armen werden ärmer.

Persönliche Erklärung von Christof Wackernagel zum „Mali-Tag“ der APA.

APA Mali wurde von mir auf Bitten von Dr. H. Querfurt in Mali eingerichtet, da ich seit einigen Jahren in Bamako lebe.

Obwohl ich ihm im Lauf und am Ende der über einjährigen Aufbauarbeit zwei seit über zehn Jahren existierende lokal initiierte, demokratisch kontrollierte Ärzteorganisationen als malische Partner vorschlug – „action sante“ und „medicins d’èspoir“ -, entschied er sich dafür, die Verantwortung für die Lieferungen medizinischen Materials ausschliesslich dem allerersten ihm vorgestellten Kontakt, einer Grossgrund- und Goldminenbesitzerin zu übergeben, die trotz ihrer privilegierten Position vorher noch nie eine soziale Tätigkeit ausgeübt hatte. 

Die Folge davon ist, dass die inzwischen drei Containerlieferungen auf die Privatkliniken und Krankenstationen der wohlhabenden Oberschicht Bamakos verteilt wurden, ein vom deutschen Steuerzahler mehrheitlich zu finanzierendes Grossprojekt im Heimatdorf der APA-Repräsentantin geplant ist – und die wirklich Bedürftigen einmal mehr das Nachsehen hatten und haben.

Selbst bei den Krankenstationen, in denen ein kleiner Teil des geschickten Materials landete, und die nach deutschen Masstäben unvorstellbar schlecht eingerichtet sind, handelt es sich um Institutionen, die niemand von denjenigen Menschen, die dringend Hilfe bräuchten, je von innen gesehen hat, meist nicht einmal von deren Existenz weiss.
Deshalb bedarf es bereits bestehender, sich um diese Menschen kümmernder inländischer Organsationen, um sie überhaupt zu erreichen.

Während die von keiner demokratischen Kontrolle begleitete Allein-Verantwortliche für APA Mali mit ihrer schwangeren Tochter in die USA reiste, damit diese dort ihr Kind zur Welt bringen konnte, starb das Kind der Dr. Querfurt in einem ländlichen Dorf vorgestellten Frau mit gynäkologischen Problemen kurz nach seiner Geburt, die Dr. Querfurt ebenfalls vorgestellte in der Nähe befindliche Krankenstation erhielt keines der von ihm geschickten vier Ultraschallgeräte, obwohl diese extrem notwendig zur Vorbeugung gegen Kindersterblichkeit sind, und Mali zu den Ländern mit der höchsten Kindersterblichkeitsrate der Welt gehört.

In diesem Jahr sind in meiner unmittelbaren Umgebung zwei Kinder gestorben, denen ich nicht helfen konnte, obwohl ich mit dafür gesorgt hatte, das drei Container mit medizinischen Hilfslieferungen nach Mali geschickt wurden.

Als ehemaliger Bochumer und nur aufgrund meiner Verbundenheit mit dieser Stadt die oben beschriebene Arbeit geleistet habender Mensch, lege ich Wert auf die Feststellung, dass nach meiner inzwischen sechsjährigen Kenntnis der Verhältnisse in Bamako und Mali, die Arbeit von Apa Mali und APA Deutschland nicht nur anstelle der wirklich Bedürftigen der herrschenden Oberschicht Malis zugute kommt, sondern auch die hier in Mali bestehende soziale Ungerechtigkeit und die aller Welt bekannte korrupte gesellschaftliche Struktur bestätigt und stärkt.

Christof Wackernagel
Bamako, den 22.10.2009

Madu macht Tee

Madu macht Tee

Zwei bis drei oder auch vier Mal am Tag und Abend macht Madu Tee. Le Premiere, le Deusiemme e le Troisiemme sind die drei Stufen einer Teerunde. Manchmal nutzt Madu auch den Troisiemme, die dritte Aufkochung, als Grundlage für den Premiere. Dieser Tee wirkt wie eine Droge. Aufputschmittel. Hat der Kaffee eine wach mach und wach halte Kurve die steil ansteigt, kurz den höchsten Punkt hält und dann innerhalb einer Stunde wieder abfällt, ist die dieses Tees deutlich anders.. Auch ein steiles Ansteigen, aber ungleich längeres Anhalten der Wirkung. Wunderbar abends für längeres Musik machen oder Schreiben, Unterhalten, Lesen bis um zwei, drei Uhr nachts.

Diese Art des Tee Machens ist eigentlich nur für draußen geeignet, (im Winter auf dem Holzofen geht’s auch). Beim Anfeuern raucht´s, Holzkohleasche fällt aus dem Öfchen, Tee schwappt, das Wasser zum Gläser und Teeschaum säubern fließt über das Tablett auf den Boden. Fourne auf französisch, heißt der kleine Holzkohle Grill, der nur zum Tee kochen verwendet wird. Einen Namen auf Bambara gibt’s meint Madu….aber er kennt ihn nicht. Schäm dich frotzelt Christof.

Er ist aus Drahtgeflecht durch das der Wind die Holzkohle am Glühen hält. Etwas Stroh oder kleine Ästchen untergemischt legt Madu Holzkohle in den Fourne, zündet an und  fächelt  Luft zu, damit die Holzkohle schnell anbrennt, oder er holt sich schon glühende Kohlestücke aus Sanatas Kochherd. Aber auch ohne Fächer geht`s. Man nimmt den Fourne an seinem Tragbügel, lässt ihn an ausgestrecktem Arm kreisen bis die Holzkohle glüht und das Schultergelenk protestiert. Ist die Holzkohle soweit angefacht, dass sie von alleine weiter glüht, füllt Madu die Teekanne mit Wasser und stellt sie in die glühende Kohle, darauf bedacht, dass die Kanne auch sicher und gerade steht.

Zweihundert Kubikzentimeter passen nur in die Kanne  aus dickem,  silbernem Aluminium und dem hübschen, spitzen Deckel mit den drei Dampfabzug Löchern. In das noch kalte Wasser gibt Madu nun ein Päckchen Canal Gunpowder Tee, fünfundzwanzig Gramm. Das Ganze kocht jetzt etwa zwanzig Minuten sprudelnd vor sich hin und verströmt  einen intensiven, kräuterigen  Teeduft. Dann  landet  der  Teesud , denn mehr bleibt nicht übrig an Flüssigkeit als für zwei bis drei der kleinen Teegläschen, in einem zweiten Kännchen aus Edelstahl, fast gefüllt mit frischer oder getrockneter Minze. Nanai auf Bambara. Auch ein drittel Gläschen Zucker kommt noch dazu, alles wird wieder auf die Holzkohle gestellt und noch eine viertel Stunde zirka gekocht.

Kohleklau bei Sanata

Kohleklau bei Sanata

So sieht ein Fourne neu aus

Jetzt kommt der schwierigste Teil der Prozedur. Um Schaum zu erzeugen, der  ist wie  das Tüpfelchen auf dem I, gießt Madu den Tee in hohem Bogen von einem Gläschen in das andere und wieder zurück, immer bleibt auch etwas Flüssigkeit im Glas damit es schön platscht und sich möglichst viel fester Schaum entwickelt.
Zum neuerlichen Erhitzen geht’s zwischendrin auch immer wieder in die Kanne die auf dem Fourne steht. Nebenbei spült Madu die Gläser außen mit Wasser ab, da öfter mal ein Schwapp daneben geht, werden die Gläser klebrig. Ist das Glas auch senkrecht gekippt, der steife Schaum bleibt drin. Selbst den bräunlichen Schaum wäscht Madu mit Wasser. Erstaunlich, der Schaum ist so steif, dass er selbst diese Prozedur unbeschadet übersteht. Ein letztes Erhitzen, in hohem Bogen füllt Madu den Teesud in die  Schaum gefüllten Gläser. Wieder ein  paar mal  hin und her, zurück  in die Kanne, wieder in die Gläser. Zwischen drin probiert Madu die dunkelbraune Flüssigkeit. Schlürfend den heißen Tee mit dem Schaum kühlend einsaugend. Mit zufriedenem Gesicht verkündet er: „le tee e pret“. Ein letztes Mal von der Kanne in die Gläser. Mit hoher Schaumhaube über dem Glasrand sieht es aus wie ein winz Glas Guinnes.

Nanai / Hier wird gewaschen / Da schäumts aber / Zucker dazu / Endprodukt

Jedesmal schmeckt er anders, intensiv nach Karamel mit getrockneter Minze, herb bis scharf minzig. Mit frischer sanfterer Minzgeschmack. Mit dem hiesigen Canal Tee nur leicht bitter, mit dem grünen von Westminster (Aldi Nord), fand Madu gut, haben wir aus Deutschland mitgebracht, stark bitter der Premiere,, dass es mir manchmal das Gesicht verzieht; jedoch mit intensiverer Wirkung. „ Anene“, wohl bekomms. Wir schlürfen mit ein paar Schlucken das heiße Gebräu in uns hinein. Richtig cremig nach Kräutern undgrünem Tee duftend. Das war Canal der nicht so Bittere. Mit der Wärme des heißen Suds breitet sich in Körper und Kopf langsam ansteigendes Wohlgefühl aus und man möchte unbedingt etwas tun.

Nach ungefähr einer Stunde ruft`s wieder. „le tee, le deusiemme“. Der ist auch ganz unterschiedlich. Je nach dem was Madu sonst noch in der Zwischenzeit gemacht hat, wann er wieder, oder ob überhaupt an den kochenden Tee gedacht hat und er völlig verdampft ist, weil vergessen; alle Faktoren spielen hier im Geschmack eine Rolle. Welcher welche weiß keiner. Egal, oft ist der Duesiemme noch geschmackvoller, feiner, karameliger mit einem Hauch von Wiesenkräutern. Die Bitterstoffe haben wir schon mit dem Premiere getrunken. In der Farbe gleicht er noch einem länger gezogenem schwarzen Tee aus unseren Breiten.

Die dritte Aufkochung der „Troisiemme“ ist ungleich heller und hat keinen so vollen Geschmack mehr. Die Schaumkrone ist dürftiger. Also benutzt Madu den Troisiemme öfter als Grundlage für den nächsten Premiere der ihm dann von vorne herein die richtige Richtung gibt.

Inzwischen mache ich den Tee auch ganz gut nach Madus und Christofs Meinung. Auch die Nachbarin nickte anerkennend. Bloß das mit in die Gläser zielen ist noch lücksache.

Eberhard Jost

Besuch in Kutiala/Quelenguena

Besuch in Kutiala/Quelenguena

Kutiala ist eine Kleinstadt im Süden Malis, nicht weit von der Grenze nach Burkina Faso. Es liegt an einem kleinen Fluss, hat ein kleines Krankenhaus und einige Verwaltungsgebäude, es ist der zentrale Marktplatz der Region und die Endstation der über Segou führenden Busfahrt von Bamako – dahinter beginnt der »Busch«, wie man hier sagt.
Madou Coulibaly und ich waren auf dem Weg zu Madous Familie in Quelengena, wo er die ersten 20 Jahre seines Lebens verbracht und das er seit einigen Jahren nicht mehr gesehen hatte. Seit drei Jahren gibt es einige Autobesitzer, die Taxidienste anbieten, und Madou und der Taxifahrer waren sich schnell einig, dass Kutiala sich in den letzten Jahren sehr verändert habe, was daran liege, dass es inzwischen einige Fabriken gebe. Selbst den Weg raus aus Kutiala zu sich nach Hause fand Madou nicht mehr ohne die Hilfe des Fahrers – unzählige Häuser waren in der letzten Zeit völlig planlos in die Landschaft gestellt worden, was zur  Folge hatte, dass es keine gerade Strasse aus der Stadt heraus gab, sondern man sich durch die Häuser irgendwie in Richtung Quelengena durchschlängeln musste, mal rechts, mal links, mal über einen Platz, alle zwei Minuten die vor den Häusern sitzenden Männer und Frauen, die Tee tranken oder etwas verkauften, nach dem Weg fragend.
Aber auch der Busch ist nicht mehr, was er einst war: wo dichter Wald stand, fanden sich teilweise nur noch vereinzelte Bäume, und es waren so viele neue Höfe gebaut worden, dass wir uns auch hier von einem zum anderen  durchschlagen mussten, um zu den Coulibalys zu kommen.

»als wir Kinder waren«, berichtete Madou, »durften wir dort nicht spielen, weil es zu viele wilde Tiere gab«.

Quelengena ist nämlich kein Dorf oder eine Siedlung – Quelengena ist ein Gebiet, fast eine Region, aus Wäldern und Feldern bestehend, zwischen denen sich überall dort einzelne Höfe oder mehrere derselben befinden, wo Wasserstellen bzw. Brunnen vorhanden sind.
Da die Gegend flach wie ein Brett war, konnte man überall fahren, wo die Bäume breit genug auseinanderstanden, dass ein Auto dazwischen passte, streckenweise waren aber auch richtige Pisten zu erkennen, und schliesslich erreichten wir eine Ansammlung von mindestens zehn Höfen: »das Quartier der Coulibalys«, wie Madou erklärte.

Drei Männer traten aus der Hoftür des ersten Hauses, der jüngere Bruder Madous und zwei Freunde. Die Begrüssung verlief nüchtern, sachlich, praktisch; unsere Sachen konnten wir in dem Wohnraum der zweiten Frau des jüngeren Bruders abstellen, wo wir auch schlafen sollten, unter dem Bastdach im Hof wurden wir gebeten, uns niederzulassen, und die erste Frau des jüngeren Bruders bot uns Wasser an: dargereicht mit einem leichten Knicks.
Holzgestelle lagen im Hof herum: »Daraus bauen sie Betten, die sie manchmal verkaufen«, erklärte Madou, mit Seilen zusammengebundene ziemlich gerade Äste, an den Ecken mit Schilf verstärkt, eine durchaus stabile Konstruktion.
Der Vater,
der zwei Häuser weiter wohnte, lag auf einem solchen Gestell, die Mutter und weitere Familienmitglieder sassen daneben. Nach der Begrüssung gingen wir wieder zurück zum Haus des Bruders, um die Geschenke zu holen, zwei grosse Matten aus Plastik, 10 grosse Monozellenbatterien (die mit 350 Fcfa praktisch unerschwinglich sind, aber für Taschenlampen nötig), Decken aus dem Flugzeug, und als Höhepunkt Schuhe (Plastiklatschen), die feierlich verteilt und von jedem, der welche bekam, überall herumgezeigt wurden.
Das alles zählte freilich  fast nichts neben dem Wichtigsten, nämlich Geld, für das man sich selbstgewählt etwas kaufen kann.

Zum Essen
gingen wir wieder in das Haus des jüngeren Bruders Darama, es gab To, grünen Hirsebrei mit grüner Sosse aus Blättern des Baobabbaumes oder anderer Bäume. Lecker und nahrhaft. Dazu zur Feier der Gäste ein Huhn – überall laufen Hühner herum und viele Küken – Eier werden nicht gegessen, sondern alle ausgebrütet -, was ein zeichen höchster Ehrung ist. Dargereicht von der ersten Frau des Bruders, Alima, die, obwohl es inzwischen fast dunkel und damit kälter war, immer noch mit unbekleidetem Oberkörper herumlief (was in Mali schon immer üblich war, wie Ibn Batutta schon aus dem 14. Jahrhundert berichtet, wo es auch schon eine Ausnahme war, man achtet nicht darauf und guckt auch nicht besonders hin; in Bamako bedecken die Frauen ihren Busen, wenn sie einen Weissen sehen, hier fiel auch das weg) und aus der Nähe konnte ich plötzlich sehen, dass sie, die ständig ein Neugeborenes mit sich trug, ein Geschwür am Busen hatte; Madou fragte, was das sei, Alima wusste es nicht, bemerkte nur, dass es schmerze, aber sie hatte keinerlei Medikamente oder Salben dagegen.

Krankenstationen oder Ärzte gab es nicht – in Kutiala steht ein Krankenhaus, aber man muss die Behandlung und vor allem die Medikamente erstmal bezahlen können, deswegen wird einfach gar nichts gemacht und gehofft, dass es von alleine wieder weggeht.

Danach wurde Tee getrunken, wobei mir auffiel, dass Frauen und Männer immer zusammensassen und in gleicher Weise an Gespräch und Konsum teilnahmen, noch gemischter als in Bamako, wo oft Frauen und Männer zwar in einem Raum zusammensitzen, aber in getrennten  Gruppen, was vielleicht an dem in Bamako weiter verbreiteten Islam liegen kann.

rechts in der Mitte Madou mit Tochter Assita, links davon seine Frau Sanata

Abends
sass die ganze Familie zusammen im Hof des Vaters; Madou hatte eine Flasche Wein spendiert (1 Liter 750 Fcfa, in Bamako hergestellt), weil das Hirsebier, das der Vater gerne des ganzen Tag trinkt, zur Zeit noch nicht  genügend gegoren war; der Vater – Wara – schenkte in einer kleinen Kalebasse, die er randvoll goss, aus und verteilte sie an alle Erwachsenen, zuerst mir, dann seiner Frau – Shota – , dann einer Freundin seiner Frau; Madou und andere lehnten ab, aber die Flasche war trotzdem schell leer, denn man trank ex. Ein Schulfreund Madous kam mit seinem Moped vorbei, er ist inzwischen Lehrer und hatte den besuch für uns organisiert, weil niemand in Quelengena ein Telefon hat (wo sollte er es aufladen …), so dass Madou jedes Mal ihn anrief, er zu Madous Vater fuhr, alles besprach, zurückrief etc – Madou war es ungeheur peinlich, dass er nichteinmal ein Geschenk für ihn dabei hatte. Der Lehrer, Mohammed, bat mich, ihn in der Schule zu besuchen – eine Grundschule, in der die Klassen eins bis sechs in  einer Klasse zusammegefasst sind -, da viele der Kinder noch nie einen Weissen gesehen hätten.

Die Klos
die so sauber waren, wie ich es in Afrika noch nie gesehen hatte, absolut geruchs- und tierfrei, eigneten sich nur zum Pinkeln, vergebens hielt ich nach einem Loch Ausschau, über das man sich kauern könnte. Es gab nur drei Häuser in dieser kleinen Siedlung, die ein solches Loch hatten; nachts gehe man eben nach draussen, meinte Madou (früher war da Wald), Platz sei genügend da, das Zeug verrotte schnell. So musste ich des morgens 200 Meter zu einem Nachbarn, auf dem Weg das halbe Dorf begrüssend, auch dort erstmal die ganze Begrüssungsarie herunterbeten, um dann nach dem Wasser zu fragen und schliesslich und endlich den Weg frei gewiesen zu bekommen, meine – im wahren Sinne des Wortes – Notdurft zu verrichten. Dort eine Diarrhoe zu haben, empfiehlt sich eher nicht.

Zum Frühstück
gab es Monie – eine warme Hirsesuppe mit Klümpchen darin -, was es auch bei mir in Bamako als von mir geliebte Zwischenmahlzeit gibt; in Quelengena freilich zuckte ich beim ersten Schluck zusammen: sie war ungezuckert und ohne Zitrone. Die Zitrone war kein Problem, aber der Zucker ein Luxus, den man sich normalerweise nicht leisten kann -«jetzt verstand ich, warum Madou zwei Kilo Zucker mitgebracht hatte.

Die tägliche Arbeit
beginnt mit dem Wasserholen, was die Arbeit der Frauen ist, von den zwei Frauen Darams muss die zweite, Säba, das Wasser holen. Aus dem Brunnen im Quartier der Coulibalis ist, je nach Intensität der Regenzeit (Juni bis September), höchstens bis Ende März etwas zu holen; wenn er versiegt ist, müssen die Frauen morgens unter Umständen bis zu fünf Kilometer pro Strecke laufen, um zu Wasser zu kommen. Welche Qualität es hat, habe ich lieber nicht probiert.

Brunnen des älteren Bruders, etwa dreieinhalb Kilometer vom Quartier der Coulibalis entfernt.

Früher wohnte die ganze Familie dort, da das Wasser dieses Brunnens aber nichts ausreichte, zog  sie zum jetzigen Standort um und nur der ältere Bruder blieb dort.

Hof des älteren Bruders, Omegä rechts gegenüber von Madou mit roter Kappe. Der Mann auf dem Holzsessel ist ein Onkel, der geistig etwa verwirrt ist und bei Omegä mitleben kann. Vorne Omegäs Frau Shikäsho beim Vorbereiten von To, dem täglichen Hirsebrei.

Das Zubereiten des Essens sowie die Vorbereitung der dazu nötigen Ingredienzien nimmt einen weiteren grossen Teil der Tagesarbeit der Frauen ein. Für To muss die Hirse gestampft werden, wozu meist zwei Frauen vor einem riesigen Mörser stehen und abwechselnd einen riesigen Holzklöppel hineinrammen; bis zur Erschöpfung, dann Schweiss abwischen, kleine Pause, wieder bis zur Erschöpfung – und so weiter. Die meist grüne Sosse dazu besteht aus Blättern des Baobabbaumes oder anderer Bäume und Sträucher, die ich im Einzelnen noch nicht kenne, auch sie müssen gepflückt, getrocknet und gestampft werden, bevor überhaupt mit dem Kochen begonnen werden kann. Sind alle Bestandteile kleingekriegt, werden sie lange gekocht und weitergestampft und gerührt.

Madous bei Omegä lebenede kleinste Halb-Schwester (von der zweiten Frau seines Vaters, die kurz nach der Geburt starb) beim To-kochen.

Gekocht wird immer auf  Holzfeuer, das zwischen drei Steinen glimmt – so verschwand der Wald, in dem Madou als Kind nicht spielen durfte. Die Frauen tragen übrigens immer schöne Ohrringe, Ketten und Armbänder, und wenn sie das Material dazu hätten, würden sie sich auch schminken.

Im Prinzip sind die Coulibalis fast völlig Selbstversorger. Auch das Öl wird selbst hergestellt: aus dem

Carite-Baum, shi sun, dessen Nüsse

hier von Madous Mutter – einzeln aufgeklopft werden, um die Schale zu entfernen, dann stundenlang von jeweils zwei Frauen zu Mehl verarbeitet werden, dann

gekocht werden, und anschliessend

stundenlang gemanscht werden; diese junge Frau sah ich vom Vormittag bis frühen Nachmittag jedes Mal, wenn ich an diesem Haus vorbeikam bei dieser Tätigkeit, sie muss Muskeln wie ein Kraftpaket haben.

Das Öl, das dabei herauskommt, heisst shi tulu, der Rest gibt eine Paste, die bei uns als beurre de carite bekannt ist und in schicken boby shops sündhaft teuer als Bestandteil von Lotions verkauft wird; hier dient sie als Bratfett oder als Heilsalbe (zum Beispiel bei Schnupfen in die Nase zu schmieren), auch gegen trockene Haut, und was übrig bleibt wird für Pfennige donnerstags auf dem Markt in Kutiala verkauft.

Als Einnahmequellen
dienen auf diesem Markt, zu dem die Frauen jeden Woche einmal die 7 Kilometer zu Fuss gehen, mit einem Fahrrad fahren oder, wenn sie Glück haben, mit einem Eselswagen, neben dem situlu alle Erzeugnisse, die an den Felderträgen nach dem Selbstverbrauch übrig bleiben: Hirse, getrockene Blätter, Tamarindenschalen, Gemüse und Obst, das von den Männern in den wenigen Gärten angebaut wird, die das wenige Wasser erlauben.

dieser Garten war der schönste, den ich sah, links vorne der Brunnen; Madou kaufte dort für 100 Fcfa eine Papaya für seine Tochter, in der Mitte ein Bananenbaum, davor Minze.

Ein paar hundert Meter neben dem Quartier der Coulibalis war der Garten seines jüngeren Bruders, in dem gerade Zwiebeln reiften, alles andere – z.B. Paprika, Okraschoten, Melonen, Pfefferschoten  – war abgeerntet oder noch nicht so weit. Dort holte Daraman selbst das Wasser aus dem Boden und verteilte es. Laut Madou bearbeitet man einfach ein Stück Land, und das ist dann das eigene, Grundbucheintragungen gibt es keine – aber durchaus einen Zaun und klare Abgrenzungen zwischen den Gärten.

Die Baumwolle
ist das einzige, was ausschliesslich zum Verkauf angebaut wird. Es gibt riesige Felder –

Baumwollfeld mit abgeernteten Sträuchern, am Rand wird Hibiskus angebaut.

die aber alle von Hand bebaut werden müssen, es gibt kaum Geräte, keine Maschinen und nur wenig Kühe; mit Maschinen oder wenigstens einer zweiten Kuh, könnte Omegä bis zu 5 Tonnen erwirtschaften – per Handarbeit der ganzen Familie, Knochenarbeit, kommt er auf höchsten knapp zwei Tonnen pro Jahr.
»Wenn du arm bist«, singt Madou in seinem Lied »fantan«(Armut) »kannst du arbeiten, aber es kommt nicht das dabei heraus, was du gedacht hast«  – als ich die Felder sah und wie einzelne sich von Strauch zu Strauch durcharbeiteten, verstand ich, was er damit meinte.

Baumwollertrag des Jahres in Omegäs Haus

Er hat ihn noch nicht bei der staatlichen Verkaufsstelle abgeliefert, weil dieses Jahr noch weniger als in den letzten Jahren dafür gegeben wird, dass er versucht, die Ware einzeln in kleinen Mengen auf den Märkten zu verkaufen.

Normalerweise wird die Ernte auf einer staatlichen Sammelstelle abgeliefert:

Baumwollsammelstelle

Dort werden die einzelnen Beiträge gewogen und registriert. Nach einiger Zeit holen Lastwagen alles ab und bringen es ins Zentrallager. Dann passiert lange nichts, und frühestens nach zwei Monaten wird mitgeteilt, wie viel jeder bekommt, wieder etwas später bekommt man die Hälfte des versprochenen Geldes, vor allem, um sich das Saatgut fürs nächste Jahr kaufen zu können. Danach gibt es irgendwann den Rest; genaue Summen konnte ich nicht herauskriegen, aber mehr als 500 000 Fcfa als 800 Euro sind wohl pro Jahr nicht drin. Davon müssen aber für die ganze Gross-Familie (zwischen 20 und 40 Personen) die Grundbedürfnisse wie Salz und Zucker, Kleider, Seife und Zusatznahrungsmittel beschafft werden.

Der Islam
ist eher nur theoretisch verankert; ich sah nur ein einziges Mal jemanden beten, hörte keine Gebets-Rufe – die nächtliche Ruhe ist geradezu schreiend leise -, sah nur am Rande des Quartiers, in dem Madous Frau wohnte, eine kleine Moschee. Madous Onkel hingegen ist Marabout, also heil- und Geistersachverständiger, und zu unseren Ehren wurden zwei Hähne rituell geschlachtet und an der Weise, wie sie verendeten, abgelesen, was wir in Zukunft zu erwarten hätten: Dazu versammelten wir uns auf einem speziellen Platz, Madous Vater leitete das Ritual, indem er Gebete sprach (ich fragte, welche: geheim!), Wassertropfen auf ein wunderschönes Gebilde aus schwarzen Ringen und Kugeln tropfte (Bedeutung, Herkunft, Funktion: geheim!), bis sein Bruder den Hähnen den Hals etwas aufschlitzte und sie dann schreiend und blutverspritzend auf dem Hof hin und herrannten, bis sie schliesslich auf die eine oder andere Seite oder den Rücken fielen, was etwas bedeutete, was nicht  verraten wurde, aber angeblich gut für uns aussah.
In diesem Häuschen, einem

26. Fetischhaus, das vom Islam verdrängt wird, aber noch intakt ist, werden solche und ähnliche Rituale abgehalten, Tendenz rückläufig. (Bild kommt noch)

Erst auf den zweiten Blick bemerkte ich, dass etwa in dem Anwesen der Familie von Madous Frau Sanata

zwei Drittel der Kinder einen solchen Blähbauch haben

– dieser auf dem Bild ist nicht einmal einer der schlimmsten. Fast alle haben den rausstehenden Bauchnabel, was angeblich sich von alleine legt, soundsoviele überleben diese Krankheit nicht, was von den Menschen mehr oder weniger als Schicksalsfügung oder Gottes Wille hingenommen wird, weil man eh nichts dagegen machen kann, oder es nicht weiss, aber selbst wenn man es wüsste – Vitamine, Gemüse, Obst – die Möglichkeiten, was zuallererst heisst: das Wasser, nicht hat.

Madous Frau Sanata
und ihre beiden Kinder Ma und Wara nach Bamako zu holen, damit sie hier mit Madou zusammenleben kann, bedeutete zunächst einmal einen grossen Koffer nach Quelengena zu schicken und dazu 50 000 (80 Euro) Fcfa für Ihren Vater. Als wir jedoch ankamen, war nichts vorbereitet – die Familie hatte es nicht glauben können, dass es tatsächlich soweit war. Ausserdem waren noch einmal 50 000 fällig: die Summe, die Madous Vater zu entrichten hatte, der sich dazu aber ausserstande sah, weil er nicht nur kein Geld hatte, sondern auch 25 000 Steuerschulden aus dem letzten Jahr; 2 500 muss pro Person an Steuern entrichtet werden, hin und wieder kommen Kontrolleure aus Kutiala und versuchen, das Geld einzutreiben (als sich das Geräusch unseres Wagens dem Quartier der Coulibalis näherte – kilometerweit zu hören, da sich normalerweise fast nie ein Auto in diese Gegend verirrt, nur hin und wieder Mopeds – ergriff einer der Bewohner die Flucht, weil er dachte, es sei der Wagen der Steuereintreiber), und wer Pech hat, wandert solange ins Gefängnis, bis das Geld aufgetrieben ist. Dieses zu zahlen, wäre allerdings die Aufgabe der erwachsenen Söhne, die sich dazu ausserstande sahen, am wenigstens die ortsansässigen, weil die Baumwollernte dieses Jahr so schlecht ausgefallen sei. Als ich Madou das Geld für Sanatas Vater in Form von 5 10.000-er Scheinen geben wollte, bat er mich, einen in zwei 5-er zu wechseln, da die Summe zwischen Vater und Mutter aufgeteilt werde, was die beiden jedoch nicht untereinander auszumachen in der Lage seien.

Bei einem nächtlichen Spaziergang
durchs Quartier hörte ich Trommeln und Gesang und stiess auf eine Gruppe junger Mädchen die auf dem Platz neben dem Fetischhäuschen zusammenstanden und trommelten, tanzten und sangen; eine kniete vor einer Kalebasse und gab sozusagen die Bassdrum vor, zwei bis drei warfen eine von Kaurimuscheln  umkränzte Kalebasse hoch und fingen sie – draufschlagend – wieder auf, jeweils in leicht versetztem Rhythmus, was zusammen eine derart komplizierte Folge gab, dass mir der Atem stehen blieb: es wäre unmöglich, so etwas als eine Person zu spielen, zusammen gab es einen derart mitreissenden Rhythmus, dass ich gar nicht anders konnte als stehenbleiben und mit zu klatschen.
Die Mädchen machten das öfters nachts, wurde mir erklärt, es sei nicht so gerne gesehen, weil es störe, aber sie sollten ja auch ihr Vergnügen haben. Das Lied, das sie spielten, geben sie auch bei Hochzeiten zum besten, vor dem Eingang zum Haus der Frau, und dann spielten sie so lange, bis der Bräutigam sie auszahle und machten  dann erst den Zugang frei …

normale Bio-Eier

normale Bio-Eier

Bio Eier gibt es hier nicht, auf dem Markt gibt es, wie bei uns, in Legebatterien hergestellte Eier, die entsprechend schmecken. Wer sich allerdings auskennt und die entsprechenden Kontakte hat oder jemanden kennt, der die entsprechenden Kontakte hat, kann sich Eier von freilaufenden – was heisst, auch auf der Strasse -, alles, was sie in den Schnabel kriegen, fressenden Hühnern besorgen (wenn man sich nicht selbst ein paar Hühner zulegt), allerdings nur zwei oder vier aufs Mal.
Diese Eier sind erheblich kleiner, schmecken erheblich besser und kosten doppelt soviel wie die industriell hergestellten.
Obwohl sie, wie bei uns die Bio-Eier, in der Minderzahl sind, haben die Menschen noch nicht vergessen, was sie tatsächlich sind, und nennen sie so:
normale Eier.

Wahrheit an Weihnachten

Wahrheit an Weihnachten

Weihnachten mit Madou, Assa und ihrer Tochter Ami, die Assa bekam, als sie 16 war, der Vater  hatte sich aus dem Staub gemacht, bevor das Kind auf die Welt kam. Assa Niaré ist Analphabetin  und spricht kaum Französisch, ihre vierjährige Tochter Aminata geht, seit Assa Arbeit hat, in einen Kindergarten, in dem ihr erste Schritte zum Lesen und Schreiben beigebracht werden. Im muslimischen Mali ist Weihnachten ein offizieller Feiertag, Assa erschien in schönster Robe, geschminkt bis unter die Schädeldecke, auch Ami war herausgeputzt
– ausgerechnet mit einem t-shirt, auf dem »I am Daddys Darling«, was Assa nicht lesen konnte, und was übersetzt, ihr wenig Freude machte -, der Tisch zur Feier des Tages europäisch gedeckt, es gab Fleisch, Bohnen und Kartoffelsalat, mit dem ein wenig von der europäischen Kultur vermittelt werden sollte.Ami stocherte darin herum, aber, wie ihre Mutter sagte, nicht, weil sie Kartoffelsalat nicht kenne, sondern weil sie nie viel esse. Dafür habe sie aber einen ganz schön dicken Bauch, sagte Madou Coulibaly lachend – und in der Tat: eigentlich ist sie ja eher mager, wieso dieser Bauch? Eine düstere Ahnung stieg in  dem seit Jahrzehnten von den Bildern schwarzer Kinder mit Hungerbäuchen zu so heftigem wie erfolglosen politischen Engagement angetriebenen und nun in Afrika gestrandeten Weissen auf: sitzt hier etwa ein solches Kind an Deinem Tisch? Ausgerechnet an Weihnachten? Hast Du hier plötzlich zum Greifen nah, konkret, was bisher immer das abstrakte Movens einer abstrakten Verzweiflung war?  Verlegen lächelnd zog Aminata ihr T-shirt hoch und es erschien  ein praller, straff gespannter Bauch, so eindeutig kein Wohlstandsbäuchlein, dass nur  noch der Freund und Nachbar Dr. Seydou Sougoulé weiterhelfen konnte.

Und eine weitere Frage drängte sich auf: wieso brauche drei Jahre, um an die Realität heranzukommen, wegen der ich hierhergekommen bin? Ami ist eines von Millionen Kindern in Afrika, von denen tausende täglich daran sterben, eines von tausenden in Bamako eines von hunderten im Stadtteil Hippodrome: und ich habe nichts davon gemerkt? !
Mit wem hatte ich bisher vor allem zu tun? Vor allem mit Familien, Clans, die eifersüchtig darauf achteten, dass ich keinen zu intensiven Kontakt mit anderen bekam. Alle anderen seien schlecht, die Schwarzen als solche sowieso ganz schlimm, Betrüger, Lügner, Verräter – und die dies gesagt hatten, erwiesen sich oft bald darauf genau als solche. Warum hatten sie immer betont, ich brauche die Landessprache Bamananko nicht zu lernen, sie vermittelten mir schon alles notwendige? Im Gegensatz zu Madou Coulibaly, der mir in aller Freundschaft sagte, dass wenn ich es nicht bald lernte, ich eben kein Interesse habe… Was für Leute waren das? Es waren  Menschen, die französisch konnten, eventuell sogar studiert hatten, gebildet oder halbgebildet waren, intellektuell oder  pseudointellektuell, und die genau wussten, welche Knöpfe sie bei den Weissen zu drücken hatten, um Betroffenheit und Spendenbereitschaft auszulösen – und das Ergebnis davon zu kassieren.
Ich wurde abgeschottet und merkte es nicht. Ich wunderte mich, auf Lebensumstände zu treffen, die so verzweiflungswürdig nun auch nicht waren, dachte: »alles halb so wild«. Ich wunderte mich über die hektischen Warnungen, mit gewissen Leuten keinen Kontakt aufzunehmen, Analphabetinnen mit Prostituierten gleichzusetzen und Diebinnen, aber ich ging dem, zunächst, nicht gründlich genug nach, hielt es für gewöhnliche Eifersucht, merkte nicht, dass es Strategie ist, deren Wurzeln bis in die Kolonisierung zurückreichen und die Resultat einer postkolonialen Struktur ist, in der das Verhältnis zwischen schwarz und weiss komplett zerstört ist, weil es auf ein einseitiges Geben und Nehmen reduziert ist bzw. die sogenannten Hilfsorganisationen die verbrecherische globale Ausbeutung der rohstoffreichen Länder mildern und kaschieren, vor allem, in dem sie auf dem Weg über einheimische Mittelsleute den Deckel auf dem Kochtopf halten.
Rechtsanwalt Alassanne Diop zum Beispiel, mit dem ich glaubte ein Bäckereiprojekt gemacht zu haben, mit dem nahrhafteres Brot eingeführt werden sollte, damit die Kinder länger satt bleiben, sagte später, nachdem seine Schwester Fafa, die insgesamt 6 Monate in der Brotbackkunst ausgebildet worden war, nach Frankreich abgehauen war, 3 tausend Euro Spendegelder mitgenommen hatte und dort einen Mann  sucht, während ihr Bruder Kaou, der ausgebildet worden war, die Maschinen zu betreuen, neben den Backmaschinen sitzt und Däumchen dreht, weil er kein  Brot damit backen kann – Diop sagte neulich mit treuem Augenaufschlag: »Wie? Es ging doch immer nur darum, eine Beschäftigung für meinen Bruder zu finden!«
Warum verläuft die ganze »Entwicklungszusammenarbeit« genannte Entwicklungshilfe fast völlig im Sande? Weil sie von den einheimischen Kollaborateuren abgegriffen wird, die sie in ihre eigene Tasche stecken. Wobei sie auch nur nachmachen, was ihnen vorgemacht wird: Wer sieht, wie die Mitglieder der sogenannten Hilfsorganisationen sonnenbrillenbewehrt in funkelnagelneuen Vierradantrieb Jeeps aus ihren von Stacheldrahtzäunen eingeschlossenen Villen mit Swimming Pool gleiten, während die schwarzen Wächter das Garagentor schliessen, und wer weiss, was für Gehälter sie einstreichen, dass sie keine Miete und keine Steuern zahlen müssen, dafür Auslandsentschädigung bekommen und Rückkehrsicherung nach ihren zwei bis vier Jahren Hilfsarbeit, wer weiss, dass 60 Prozent der Entwicklungshilfemillionen in diese Struktur gepumpt werden, deren Selbstverwaltung, Selbstdarstellung und –rechtfertigung, der kann verstehen, dass der schwarze Dr. X, in Frankreich oder Deutschland ausgebildet, hier kaum eine andere Chance auf Arbeit habend, sich sagt: »wieso soll ich das eigentlich nicht genauso machen?« Oder mit anderen Worten: wenn die Weissen so blöd sind, das mitzumachen, geht mich das doch nichts an. Oder mit den Worten eines pensionierten Ölmultichefs und Aktionärs der bank of Africa, Gatten zweier Ehefrauen und Vater von vier Kindern, die in  den USA und Frankreich studieren: »In Europa gibt es eben Philanthropen – so etwas gibt es in Afrika nicht«. Was er nicht einmal zynisch meint, oder spöttisch, eher nachdenklich; schliesslich zieht er selbst soundsoviele Verwandte der Familien seiner beiden Frauen  in seinem Haushalt mit durch, zahlt deren Krankenhausaufenthalte, teilweise deren Ausbildung etc – wie es das hiesige Sozialsystem, das kein staatliches ist, eben verlangt.
Elend geht einen hier nur an, wenn es in der eigenen Familie vorkommt (wobei der Begriff Familie sehr weit gefasst ist) – eine Hungersnot im Dogonland haben  gefälligst die Franzosen, Schweden oder Canadier mit Luftbrücken zu lindern, nicht die Malier.
Das neueste BMW-Modell kenne ich freilich von einem Nachbarn ein paar Häuser weiter, ich habe selten so viele neue Jaguar X Modelle gesehen, und die Mercedes Vertretung in Bamako reicht dicke an die in Stuttgart heran: es gibt hier für unsere Begriffe unvorstellbaren Reichtum, aber es gibt nur an den Fingern einer Hand abzuzählende Ausnahmen – meist ernsthafte Muslime, die ihre Religion wörtlich nehmen -, die diesen Reichtum auch weitergeben.

Maiis reparierte Schuhe

Maiis reparierte Schuhe

Maiis Schuhe waren schon wieder kaputt, der Riemen neben dem grossem Zeh hatte sich gelockert, das billige Plastikzeug hält nicht lange. Erste Reaktion: dann kauf ich ihr halt neue, kosten ja nur 500 Fcfa, keinen Euro. Dann sah ich, dass der seitliche Riemen auch schon rausgerissen war – ihn jemand aber mit einem Stück Draht noch mal gerettet hatte. Nun ist auch der vordere mit Draht repariert.

Straßenzustand und Politik

Straßenzustand und Politik

Die Rue 300 des Bamakeser Stadtteils Hippodrome ist zwar typisch für die meisten Strassen hier, übertrifft aber die meisten anderen aus zwei Gründen: 1. ist das in der Mitte fliessende Abwasser von giftigen Färbechemikalien durchsetzt, die eine Gruppe von Frauen hineingiesst, die 200 Meter weiter oben eine Färberei auf der Strasse betreibt, was vor allem katastrophale Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder hat und 2. wird mit jeder Regenzeit auf der abschüssigen Strasse der ohnehin lose Lehmbelag weiter ausgewaschen, sodass sie an manchen Stellen eine Berg- und Tal Geisterbahn ist.

Nun hat sich eine Bürgerinitiative gebildet, die Abhilfe schaffen will, da das Bürgermeisteramt untätig bleibt (bzw. man die Beamten bestechen müsste, damit sie einem die Genehmigung geben, es auf eigene Kosten zu reparieren!).

Bei inzwischen zwei Vollversammlungen fast sämtlicher Anwohner unseres Strassenabschnittes wurde beschlossen,
–    dass jedes Grundstück – gleich, ob mehrere Familien oder nur eine darauf wohnen – 10.000 Fcfa pro Monat zahlt (bei 20 Häusern ergibt das 200.000 pro Monat, ca. 300 Euro);
–    dass die in unserer Strasse wohnende Ingenieurin, Sally Gakou, die Vorsitzende der Ingenieursvereinigung ist und den Bau einer vom Präsidenten initiierten und nach ihm benannten Sozialwohnungssiedlung (ATTbougou – arme Familien können dort ein Reihenhäuschen erwerben und es 25 Jahre lang mit minimalen Raten abstottern) leitet, eine Expertise erstellen lässt, wie viel Arbeit, wie viel Material und wie viel Geld nötig sein wird, um zunächst nur unseren Strassenabschnitt herzurichten, was heisst:
1. das giftige Abwasser durch ein Rohr in der Mitte der Strasse zu leiten
2. die Strasse mit dem hier üblichen roten Sand aufzuschütten und
3. einen Strassenbelag mit den aus der Umgebung von Bamako gewonnenen üblichen roten Sandsteinplatten und Zement zu bauen. Was in Eigenarbeit zu machen ist, wird von den Anwohners gemacht, soweit nötig, müssen Experten bezahlt werden.
–    dass ein Konto eingerichtet wird, über das das ein- und ausgehende Geld für alle transparent verwaltet wird;
–    dass an jedem ersten Sonntag jeden Monats um 16 Uhr eine Vollversammlung stattfinden soll, die vor 18 Uhr beendet sein muss, da dann die meisten zum Beten nach Hause müssen;
–    dass ein Executivausschuss eingerichtet wird, die sich um die laufenden Aufgaben wie Protokolle erstellen, Geld einsammeln, Konto einrichten, kümmert;
–    dass das Vorhaben auf alle mögliche Weise publik gemacht werden soll, um zusätzliche finanzielle Unterstützung zu bekommen;
–    dass das Vorhaben trotz des Widerspruchs, dass das Grundproblem damit nur bis zur nächsten Strassenecke verschoben wird – das giftige Wasser sprudelt dann in der Strasse »Mama Thiam« munter aus dem Abflussrohr – , realisiert werden soll, in der Hoffnung, damit ein Beispiel zu geben und weitere Initiativen anzuregen – solange bis es im Niger anlangt und dort die letzten Flusspferde und Krokodile umbringen wird, weil kein Geld für eine Kläranlage da ist.

Bei der zweiten Versammlung war der Stellvertreter des Bezirksbürgermeisters anwesend, der die Initiative sehr lobte, ihr komplette Handlungsfreiheit garantierte und bestätigte, dass weder mit Geld noch mit Rat noch mit materieller Unterstützung seitens der Stadtverwaltung zu rechnen sei, da sich sämtliche Unterstützungsleistungen des Magistrats auf ein Viertel in der Innenstadt – Medina Coura –  konzentrierten, das bereits weitgehend saniert ist.
In diesem Zusammenhang ist es interessant zu wissen, dass dies auf Initiative einer international bekannten Professorin – Aminata Traore – geschah, zum grössten Teil finanziert von der belgischen und der deutschen  Botschaft. Ebenfalls unterstützt wurde der Bau eines Marktplatzes, eines Restaurants und eines Hotels im klassischen malischen Stil, unter Verwendung von  ausschliesslich Baumaterialen aus der Umgegend von Bamako.
Der damalige deutsche Botschafter Carl Prinz erklärte, dass Projekte zur Entwicklung des Landes »nur so möglich« seien, nämlich »unter Einschaltung einer international renommierten einheimischen Persönlichkeit, die die korrekte Durchführung garantiert«. Frau Traoré wohnt in diesem Viertel, und für Mitglieder ihrer Gesellschaftsschicht sowie wohlhabende Touristen ist es sicherlich bezahlbar, auf diese Weise äusserst stilvoll zu speisen und zu nächtigen.
Den Nicht-Diplomaten und Nicht-Politiker erinnert das Ganze eher an Schickerialokale der Düsseldorfer Kö oder des Münchner Odeonsplatzes; von den Verhältnissen, Problemen und Notwendigkeiten, die er in den letzten  drei Jahren hier antraf, von den Bedürfnissen, Sorgen und Wünschen der Menschen, die er kennenlernte, fand er nichts darin wieder.
Der einheimische Musiker Madou Coulibaly berichtet, dass er mit seiner Gruppe im Innenhof dieses Restaurants – »Santoro« – gespielt habe, es den Mitgliedern der Gruppe aber untersagt gewesen sei, die Gasträume zu betreten – die Musiker hatten nur dem stilvollen warming up zu dienen.

Inzwischen hat Sally Gakou, die, wie gesagt, Leiterin des ATTBouhou Bauprojekts ist, auf eigene Initiative – die freilich auch als Beitrag zur Wahlkampagne des Präsidenten ATT gesehen wurde, der im April gerne für eine zweite Amtszeit gewählt werden möchte, was auch für Mme. Gakou Beibehaltung von Ämtern und Würden bedeutete – die Strasse mit Sand aufschütten lassen, woraufhin die Arbeit an  der Expertise begonnen werden konnte:

Ergebnis: es wären 10  Millionen Fcfa nötig (15.000 Euro), allein der Zement würde 5 Millionen kosten, und selbst wenn man alle möglichen Kosten senkte, bliebe es bei 6 – 7 Millionen also ca. 10.000 Euro. Nachdem nicht einmal die monatlichen 10.000 Fcfa von allen 20 an diesem Strassenabschnitt wohnenden Parteien gezahlt wurde, ist schwerlich damit zu rechnen, dass das Geld vor der nächsten Regenzeit zusammenkommt, obwohl es sich nur um 500 Euro pro Partei handeln würde. Angesichts der tatsächlichen Nöte in diesem Land, wie sie im folgenden z.B. anhand der Situation in Quelengena beschrieben werden, ist es auch nicht zu verantworten, ausländische Gelder zu beantragen (siehe oben), denn Mali ist sicherlich ein statistisch gesehen armes Land, das heisst aber nicht, dass es hier keinen Reichtum gebe, und wer sich solche Autos leisten kann:
der müsste auch seinen Anteil für die Strassenreparatur übrig haben.

Der Solarofen

Der Solarofen,

der auf dem Foto zu sehen ist, stammt von einer Schweizer Hilfsorganisation namens „sundance“ und besteht aus einem mit Metall ausgeschlagenen Innenraum, der oben von einer doppelten, abhebbaren Glasplatte abgeschlossen wird, auf die eine verstellbare Alufolienbeschichtete Platte die Sonne reflektiert.

Innenraum und Topf sind schwarz angemalt, um die Hitzeentwicklung zu optimieren.
Zwar reicht die dadurch entwickelte Hitze nicht aus, Wasser zum Kochen zu bringen, dafür wird zum Beispiel Gemüse schonend, also vitaminbewahrend  gekocht, es brennt nichts an und man kann das Essen, wenn es gar ist, stehenlassen, bis man es braucht, und es bleibt warm, ohne zu verkochen.
Der erste Test ergab nach zweieinhalb Stunden eine leckere Linsensuppe.

Das Gerät befindet sich in der Entwicklung und soll dazu beitragen, den zu weiterer Desertifikation führenden Holzverbrauch zu vermindern. Erste Reaktionen von Nachbarn sind höflich abwartend, aber interessiert, denn selbst wenn einem die Desertifikation egal ist: Geld sparen ist immer gut.

Die kaputte Kalebasse

Die kaputte Kalebasse

Die Kalebasse, in der das Duegeue (kleine Kügelchen aus über Wasserdampf erhitztem Hirse-mehl in kaltem, süssem Joghurt) zubereitet wird, sowie das Monie (süsse Hirse-suppe mit Zitrone) u.v.a. war kaputt, am oberen Rand war ein grosses Stück herausgebrochen.

Vom Dach aus sah ich auf der Strasse eine Frau mit mindestens zehn Kalebassen verschiedener Grösse auf dem Kopf, winkte sie in den Hof und bat Assa, eine auszusuchen und über den Preis zu verhandeln.Die beiden Damen verschwanden in der Küche, und nach einiger Zeit verliess die Kalebassenfrau das Haus.Später fragte ich Assa, ob sie mit der neuen Kalebasse zufrieden sei, aber sie antwortete nur: „heute abend“.

Abends gegen 19 Uhr, Assa hatte ihren Job längst gemacht, kam die Kalebassenfrau wieder und brachte die alte wieder: repariert. Das Ersatzteil war regelrecht angenäht, der Plastikfaden bestand vermutlich aus dem Rohstoff aufgelöster kaputter Reissäcke, der Dichtungsring aus einer alten Plastiktüte, vielleicht auch aus neuem, extra dafür verwendetem. Die Reparatur kostete 175 FCFA – eine neue hätte 1200 bis 1500 gekostet, erklärte mir Assa am nächsten Tag.